Freude über „Nein heißt Nein“-Reform

Lüchow-Dannenberger Initiativen und Rechtsexperten begrüßen Reform des Sexualstrafrechts

by Dannenberg. Für Dolly Tembaak von „Violetta“, der Dannenberger Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt, ist es ein Grund zu „riesiger Freude“. Ute Weber, Rechtsanwältin in Hitzacker, teilt diese Freude, verweist aber gleichzeitig darauf, dass die Frage der Beweisbarkeit damit nicht aus der Welt ist. Was die Durchsetzbarkeit angeht, gelte weiter: „Es bleibt schwierig“.

Es geht um die am Donnerstag vom Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedete Reform des Sexualstrafrechts: „Nein heißt Nein“. Künftig kommt es für die Strafbarkeit einer Vergewaltigung nicht mehr darauf an, ob Gewalt angewendet wurde oder die Betroffene sich körperlich gewehrt hat. Entscheidend ist, dass der Täter (meist ein Mann) sich über den „erkennbaren Willen“, egal ob in Worten oder Gesten, des Opfers (meist eine Frau) hinweggesetzt hat.

Damit hat sich ganz grundlegend die bisherige Auffassung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung im Gesetz geändert. Bislang wurden Vergewaltiger freigesprochen, wenn ihr Opfer die Vergewaltigung aus Angst in Schockstarre über sich ergehen ließ und sich nicht aktiv wehrte. „Das kann sich jetzt ändern“, hofft Tembaak. Aber auch blaue Flecken haben in der Vergangenheit als Beweis nicht unbedingt ausgereicht, erinnert Ute Weber, unterstellt wurde nicht selten, dass die blauen Flecken ja möglicherweise schon vor der Tat vorhanden waren.

„Violetta“ hatte sich im vergangenen Jahr einer Postkarten-aktion des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) angeschlossen, und an Infoständen auf hiesigen Marktplätzen Unterschriften für die Gesetzesänderung gesammelt. Die Aktion sei auf breite Zustimmung gestoßen, so Tembaak. Manche Frauen, aber auch Männer, seien aus allen Wolken gefallen, als sie erfuhren, wie die bisherige Gesetzeslage war, dass das deutsche Recht die Opfer bislang nicht schützte. Tembaak kennt aus ihrer Praxis solche Fälle, bei der es zu keiner Verurteilung kam, weil das Opfer die Vergewaltigung aus Angst über sich ergehen ließ. Dadurch wurde das Opfer erneut gedemütigt. Dass nun ausgerechnet die Vorfälle in Köln Anlass waren, die seit Jahren notwendige Reform schnell umzusetzen, sei „beschämend“, meint Tembaak.

Sie geht nicht davon aus, dass Vergewaltigungen nun nicht mehr stattfinden. Deshalb sei es wichtig, dass die Opfer jetzt eine „reelle Chance“ haben, juristisch gegen die Tat vorzugehen. Voraussetzung dafür sei, dass sich die Opfer einer Vergewaltigung nicht beschämt und geschockt zurückziehen, sondern sich „so schnell es möglich ist“, Hilfe und Unterstützung holen, sei es bei Angehörigen, Freundinnen, einer Beratungsstelle oder auch dem bundesweiten Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ mit der Nummer (0800) 116016. Die ist rund um die Uhr und mehrsprachig erreichbar.

Besser, als sich nur der Freundin zu offenbaren, sei es zum Arzt und/oder zur Polizei zu gehen, rät Rechtsanwältin Ute Weber. Ein Arzt sei die erste Adresse, „damit der psychische Eindruck des Opfers dokumentiert wird“. Solche Beweise seien weiter nötig – auch zum Schutz der Männer. Sonst könnten Frauen, die Böses wollten, ihre Sexualpartner wahllos der Strafbarkeit aussetzen.

Weber spricht von einer „superguten“ Reform, stellt aber auch klar, dass sie nicht die Lösung aller Probleme bringe. Sie setzt vor allem auf eine Änderung in den Köpfen – denen der Männer und der Frauen. Vor allem hofft sie, dass sich die Frauen nun ermutigt fühlen und ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung auch wahrnehmen.

Tembaak verweist darauf, dass in Deutschland jede siebte Frau mindestens einmal in ihrem Leben schwere sexualisierte Gewalt erlebt. Jährlich werden rund 8000 Vergewaltigungen angezeigt. Der Anteil der Frauen, die eine erlebte Vergewaltigung nicht anzeigen, sei sehr hoch und bewege sich zwischen 85 und 95 Prozent.

Auch der hiesige CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhard Pols begrüßt die Reform des Sexualstrafrechts. „Mit der Verabschiedung dieser Änderungen stärken wir die sexuelle Selbstbestimmung und geben gleichzeitig ein wichtiges Signal an die Opfer von sexuellen Übergriffen“, betont Pols. Gut sei auch, dass nun sexuelle Übergriffe wie Grapschen oder das Agieren aus einer Gruppe heraus geahndet würden.

gefunden: ejz (09.07.2016)