Anarchistisches Theaterduo spielte im Meuchefitzer Gasthof
st Meuehefitz Fritsch hat Geburtstag. Wie sein Name nahelegt, der etwa so ausgesprochen wird wie das englische Wort „fridge“ für Kühlschrank wohnt er in einer Art Kühlschrank. Fritsch sagt: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Fritsch.“ Wir befinden uns in einer Aufführung des „Anarchistischen Theaterkollektiv Meuchefitz“, das aus zwei Menschen besteht. Das reicht, wie der Abend zeigen wird, völlig aus. Einer spielt den Fritsch, eine bedient die Technik. Und die Anarchie des Abends besteht, neben der Hutkasse, vermutlich darin, dass kein Wert auf Namen für Autorenschaft oder Regie gelegt wird.
Ist ja auch egal. denn hier geht es um Theater auf kleinsten Raum mit einer kleinen Geschichte. die mit kleinsten Mitteln erzählt wird. „Klein, aber oho“. Der kleine Saal ist, mitschwarzen Tüchern verhängt, es gibt die nötigen Scheinwerfer, eine Leinwand, Tonanlage, Projektor und natürlich eine Bühne. Die ist mit der Kühlschrankwohnung schon so voll, dass kaum Bewegungsraum bleibt. und doch zaubert das Stück eine, natürlich kleine, Welt dorthin. Wie das schon anfängt: Der Kühlschrank liegt irgendwie quer am Boden, die Tür öffnet sich langsam und Nebel steigt auf. Wir sehen eine Hand, die den lästig quiekenden Wecker ausschaltet – guten Morgen. Fritsch, im Anzug, rüstet sich für einen weiteren Tag in seinem laaangweiligen Leben in irgendeinem Büro. Der Kühlschrank enthält alles, was er so braucht, alles hat seine Ordnung, seinen Platz. Das Radio meldet eine Hausbesetzung – nein, bitte keine Realität. Fritsch stellt um auf Musik.
Dann Frühstück, er gießt sich irgendwas grünliches, vermutlich sehr gesundes in sein Glas, prostet sich zu. Schließlich hat er Geburtstag. All das findet fast ohne Worte statt, aber wie der Mann sich bewegt, wie er seine Umgebung peinlich in Ordnung hält, wie er das Gesicht zu etwas verformt, was er für ein Lächeln hält, das erzählt in wenigen Minuten eine ziemlich komplette Lebensgeschichte.
Dann wird es Zeit, er muss zur Arbeit, doch das Telefonklingelt… Fritsch wird entlassen. Nach 30 Jahren, seine Papiere kommen per Post. Natürlich ist das nicht frei vom Klischee, aber ebenso natürlich ist die Wirklichkeit für viele Menschen eben doch sehr nah am Klischee. Und wenn einer seinen Job verliert, dann verliert er nicht nur Geld, sondern Struktur und Sinn, es sei denn, es gäbe da einen Lebenstraum.
Das minimalistische Bühnenspiel wird sehr einfallsreich durch externen Soundtrack und kleinere Filmschnipsel unterstützt. Die Leinwand fährt, per Seilzug bedient, mal runter, dann wieder rauf, die Lampe wird zur Trockenhaube – es sind lauter kleine, technisch ausgeluchste Schmankerl, die aus diesem gerade mal 45 Minuten kurzen Abend, ein richtiges Theater zaubern.
Und der Lebenstraum? Eigentlich wollte Fritsch ja Musiker werden, doch seine Mutter sagte, dass er was aus seinem Leben machen muss – so landete er im Büro. Und jetzt? Er sucht und findet, er hat eine Idee, er will und er kann, immer noch und jetzt erst recht. Solche Geschichten gehen selten gut aus. Das Ende ist spektakulär und banal zugleich. Und dann noch ein Filmchen. Fritsch am Strand, Fritsch ausgelassen, glücklich, er singt, das Meer rauscht, das Spiel ist aus. Wie schafft man Atmosphäre, wie spricht man ohne Worte, wie erzählt man eine Geschichte ohne Tamtam, was kann simple Bühnentechnik? Mein lieber Herr Gesangsverein, von diesem Theaterkollektiv können sich einige Theater einiges abschauen.
Gefunden in: EJZ, 29.03.2016