Offene Grenzen für Alle!
Stellungnahme der solidarischen Provinz Wendland/Altmark im Kontext des Ukrainekriegs
Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns erschüttert, wütend und traurig gemacht. Wieder einmal wird das Völkerrecht im Namen von Nationalismus und Imperialismus gebrochen.
Die Leidtragenden dieser Machtpolitik sind wie immer die breite Masse der Bevölkerung – sie werden getötet, verletzt oder müssen fliehen. Viele von denen, die bleiben, müssen sich entscheiden, wie sie dem Krieg widerstehen wollen – mit ihren Körpern oder mit der Waffe. Den Männern wird die Ausreise aus der Ukraine verunmöglicht und ihr Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht anerkannt. Auch die russischen und belarusischen Demonstrant*innen, Kriegsdienstverweigerer*innen oder Deserteur*innen werden massiv verfolgt, inhaftiert und bestraft. Wir lehnen diese menschenfeindliche Politik entschieden ab und erklären uns mit allen solidarisch, die Widerstand leisten.
Flucht muss menschenwürdig sein
Für die Menschen, die aus der Ukraine, Belarus und Russland fliehen, fordern wir die sofortige und bedingungslose Öffnung aller Grenzen – unabhängig von Nationalität, Geschlecht oder Alter. Bewegungsfreiheit immer und überall! Schwarze Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, haben uns berichtet, wie sie an der Grenze zwischen der Ukraine und Polen zum Teil drei Tage lang warten mussten. Ohne Schlafmöglichkeiten und Versorgung wurden sie von weißen Menschen separiert festgehalten. In Polen wurde ihnen dann gesagt, dass sie das Land innerhalb von 14 Tagen zu verlassen hätten. Eine Person berichtete, dass sie dann auch in Berlin als Geflüchtete „2. Klasse“ behandelt wurden. Wir lehnen die rassistische Herabsetzung von Menschen ab.
Die Solidarität mit Geflüchteten aus der Ukraine ist groß und scheint auch eine parteiübergreifende Meinung zu sein. Es schmerzt uns gleichermaßen, mitzubekommen, was möglich ist, wenn es dafür eine politische Motivation und einen Willen gibt. Wir wollen Gruppen von Geflüchteten nicht gegeneinander ausspielen. Alle Menschen, die unter diesem Krieg leiden, verdienen die gleiche Unterstützung. Es ist uns daher ein Anliegen, dass alle Geflüchtete soldidarische Strukturen in Anspruch nehmen können.
Wenden wir den Blick auf die Bedingungen in Wendland/Altmark, so stellen wir fest:
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Die Hilfsangebote im Landkreis sind umfassend und werden einmal mehr zu großen Teilen von der engagierten Zivilgesellschaft möglich gemacht. Dies darf aber nicht zu einer Selbstverständlichkeit für die Behörden werden. Dafür bedarf es einer personellen Aufstockung in den Behörden – und diesmal nicht als Amtshilfe der Bundeswehr.
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Wir begrüßen, dass nun der §24 AufenthG („Massenzustrom“) in Kraft gesetzt wurde und geflüchtete Menschen auch ohne aufwändiges Asylverfahren einen Aufenthaltstitel bekommen. Für die Ausstellung von Aufenthaltstiteln muss es allerdings in der Ausländerbehörde zusätzliches Personal geben, um unnötig lange Verzögerungen zu vermeiden. Wenn die Ausstellung von Aufenthaltstiteln noch dauert, müssen die Menschen trotzdem schon Behandlungsscheine (besser eine Krankenversicherung) und Asylbewerberleistungen (besser Sozialhilfe im vollen Umfang) erhalten.
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Im Sinn der Kritik, die wir an der Verteilungspolitik schon häufiger geäußert haben fordern wir, dass die neuankommenden Menschen aus der Ukraine sich weiterhin ihren Wohnort aussuchen dürfen und nicht bürokratisch verteilt werden.
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Weiter fordern wir die flächendeckende Finanzierung und Einrichtung von Deutschkursen für alle Geflüchteten in Lüchow-Dannenberg. Bereits vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine waren die Angebote nicht in ausreichendem Maße vorhanden.
Schatten des Krieges
In dieser akuten Phase ist selbstverständlich die größte Aufmerksamkeit auf die Ukraine gerichtet. Doch wir dürfen nicht vergessen, was im Schatten des Krieges geschieht und müssen auch hier im selben Sinne der Solidarität und der Bewegungsfreiheit für die Rechte aller streiten.
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Menschen aus Afghanistan, Syrien und anderen Staaten droht im Rahmen des Dublinabkommens weiterhin eine Abschiebung in europäische Erstaufnahmeländer – auch aus unseren Landkreisen. Vielen von Ihnen droht in den Zielstaaten unmenschliche Härte (bspw. Obdachlosigkeit) und der Prozess der Abschiebung ist für viele nicht auszuhalten. Wir fordern den bedingungslosen Zugang zum Asylantrag für alle Geflüchteten, die sich derzeit in Deutschland aufhalten.
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Auch an den übrigen europäischen Außengrenzen – in Griechenland, Kroatien, Polen, u.a. – wird die rassistische Diskriminierung von Geflüchteten brutal aufrechterhalten. Menschen harren oft wochenlang in Wäldern, Feldern oder dem Gebirge aus, um über die Grenzen gelangen zu können – viel zu viele sterben oder sind für ihr Leben gezeichnet. Wir haben mit Menschen gesprochen, die trotz eindeutiger Fluchtgründe vier Monate in einem polninschen „Detention Center“ in Haft waren. Zu viert in einem winzigen Raum mit Kleinkind. Dabei ist die Flucht eigentlich die Hoffnung auf Erleichterung vom Schrecken, vor dem sie fliehen. Europa zeigt ihnen seine kalte Schulter. Wir fordern für alle Geflüchteten, die mit dem europäischen Grenzregime in Kontakt kommen, freien Zugang und offene Grenzen.
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Die Brutalisierung der Angriffskriege, bspw. in Kurdistan oder dem Jemen, und der Bürgerkriegssituationen, bspw. in Afghanistan, geht im Schatten der internationalen Aufmerksamkeit auf die Ukraine ungebrochen weiter. Menschen muss hier die Flucht ermöglicht werden und eine Beendigung der Menschenrechtsverletzungen konsequent eingefordert werden.
Anteil an weltweiten Konfliktursachen
In all diesen Kriegen, bei all der Gewalt dürfen wir nicht vergessen, welchen Anteil auch unsere politischen Systeme zu weltweiter Konflikteskalation, Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des Völkerrechts beitragen. Es gilt, dies ganz grundsätzlich zu kritisieren – über den Moment der direkten Kriegseskalation hinaus.
Wir werden auf Dauer nicht friedlich zusammenleben können, wenn nationale wirtschaftliche, energiepolitische und geopolitische Interessen über die Mittel der Kooperation, Verhandlungsbereitschaft und gewaltfreien Konfliktlösungsmechanismen gesetzt werden. Dies betrifft alle gleichermaßen – die Russische Föderation, die Mitglieder der NATO und EU, die Volksrepublik China und alle anderen größeren und kleineren Staaten und Staatenbünde weltweit.
Die Fluchtbewegungen von Menschen weltweit zeigen uns deutlich, wie weit wir davon noch entfernt liegen.
Für uns als solidarische Provinz Wendland/Altmark gilt daher:
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Jede Aggression und jeder Angriffskrieg sind voraussetzungslos zu kritisieren. Wir beziehen keine Seite für eines der neoimperialen Systeme.
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Alle Grenzen auf, für Alle!
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Gemeinsam solidarisches, emanzipatorisches und internationalistisches Streiten für Gleichberechtigung, Abrüstung, Klimaschutz, Antifaschismus und gewaltfreie soziale Verteidigung.
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Jeder Krieg hat Folgen weltweit – er erzeugt mehr Hunger, mehr Umweltschäden, mehr Armut, treibt Menschen in die Flucht. Gleichzeitig profitieren die Kriegsgewinnler wie die Rüstungsindustrie – sie sollten benannt und bekämpft werden
Wir werden in diesem Sinne alle unseren lokalen Ressourcen im Wendland/Altmark für diesen solidarischen Weg einsetzen. NEIN zu Krieg…JA für ein gutes Leben für Alle.
20. März 2022
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