Es gab heute eine mini-Kundgebung in Lüneburg. Ich veröffentliche die Presseankündigung der Beteiligten. Die Kundgebung war an sich gut, aber der erste Kreisrat, der gar nicht für Versammlungen zuständig ist, hat erheblich gestört indem er Absurde Dinge gegen die Versammlung verfügte und die Polizei fröhlich mitspielte zb. durch Vebot von Musik, weil Musik agressiv machen könne, also werden Corona-Maßnahen dadurch gefährdet. Allgemein beschwerte es sich darüber, dass die Kundgebung Außenwirkung erzeugte… der Herr hat wohl ein Problem mit Art. 8 GG…
- Protest auf der Straße muss auch oder erst Recht in der « aktuellen Lage » möglich sein
- Die Evakuierung der Lager auf Lesbos ist Menschenrecht und muss sofort umgesetzt werden
- Demonstrant*innen und Behörden einigen sich nach einwöchiger Anmelde-Odyssee über « Corona-kompatibles » Versammlungskonzept
Corona dominiert Gespräche und Medienlandschaft. Die Pandemie ist für uns alle eine Herausforderung – insbesondere für das Verhältnis zwischen notwendigem Gesundheitsschutz und Grundrechte, die eine lebendige Gesellschaft ausmachen, wie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.
Gründe für Protest gibt es auch in Corona-Zeiten viele und eine komplette Verlagerung ins Internet schränkt seine Wirkung ein. Die Menschenrechtsverletzungen auf Lesbos und Moria sind einer von vielen wichtigen Gründen, weshalb es auch jetzt notwendig ist, den Protest auf die Straße zu tragen. Die Menschen sind jetzt gefährdet. Es kann nicht warten, es muss Ihnen jetzt geholfen werden. Viele Städte haben sich zur Aufnahme von geflüchtete Menschen aus den überfüllten Lagern bereit erklärt. Passiert ist allerdings immer noch nichts. Das muss sich ändern!
Auf Lesbos leben derzeit 25.000 Menschen im Lager Moria unter katastrophalen Bedingungen. Nicht erst seit der Corona-Krise sind die Zustände dort untragbar. Doch gerade jetzt zeigt die Europäische Union, dass die viel betonte Solidarität nur für Menschen aus Europa gilt. In Moria leben Menschen ohne anständige Wasserversorgung, Zugang zu ärztlicher Betreuung. Das Menschenrecht gilt in Zeiten von Corona scheinbar nicht mehr. Menschenrechte wie das Recht auf Asyl, auf die eigene Unversehrtheit und auch das Recht auf Versammlungen werden dort nicht beachtet bzw. sind dort, innerhalb der EU, außer Kraft gesetzt. Ohne ein sicheres Zuhause, können diese Menschen sich nicht vor der Corona-Pandemie schützen. Deshalb müssen die Lager evakuiert werden und alle geflüchteten Menschen in der Europäischen Union aufgenommen werden. Denn wir haben mehr als genug Platz in Deutschland und Europa.
« Deutschland öffnet seine Grenzen zur Rettung der Spargelernte. Eine Grenzöffnung für Menschen in der Not geht wegen der Infektionsgefahr aber nicht? Geflüchtete Menschen leben in überfüllten Unterkünften und laufen Gefahr sich mit Corona anzustecken. Das Grundrecht auf Asyl und die Unversehrtheit des eigenen Lebens wird nicht mehr angewendet. Was für eine heuchlerische Politik! » kommentiert Sven, der sich an der heutigen Demonstration in Lüneburg beteiligen will.
Doch die Behörden reagieren vielerorts mit Versammlungsverboten, selbst bei der Anmeldung von Demonstrationen mit dem gebotenem Abstand zwischen den Teilnehmer*innen als Auflage. Die Hamburger Polizei hat vor wenigen Tagen das Lampedusa-Zelt geräumt. Alle versuche sich dagegen zu wehren und auch nur mit zwei Personen zu demonstrieren, wurden untersagt, und Protestierende mit Strafverfahren belegt.
In Lüneburg auch. Zunächst. Es wurde eine Versammlung nach dem Vorbild von bestätigten und durchgeführten Versammlungen in Kiel und Flensburg angemeldet, die dort erlassenen Einschränkungen ermöglichen es. Der Landkreis verbat aber die Versammlung mit Verweis auf die niedersächsische Corona-Verordnung und drohte der Anmelderin mit einem Strafverfahren, weil es unabhängig von der Teilnehmer*innen-Zahl grundsätzlich verboten sei, sich zur öffentlichen Meinungskundgabe zu versammeln. Es gehe nicht nur um die Gefahr einer Infektion, sondern vordergründig um die Außenwirkung der Versammlung, so der Landkreis. Es setze das falsche Zeichen. Es brauche eine « positive Motivation » der Bevölkerung zu den Corona-Maßnahmen und eine Versammlung gefährde dies. Außerdem dürfe es keine Versammlungen von mehr als zwei Personen geben.
Die Anmelderin und ihre Mitstreiter*innen ließen sich nicht einschüchtern und kämpften weiter. Auch und gerade in der aktuell schwierigen und ungewissen Situation sei es wichtig, sich für den Schutz und die Rechte von Geflüchteten einzusetzen – hier und überall.
Mit Unterstützung eines Anwaltes wurde die Anmeldung der Versammlung geändert und mit zahlreichen Auflagen ergänzt.
Die Versammlung wurde in einer Form angemeldet, die nicht gegen die Corona-Verordnung des Landes verstößt. Die Verordnung untersagt Zusammenkünfte von mehr als zwei Menschen. Das spricht nicht gegen eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetz, selbst wenn mehr als zwei Menschen beteiligt sind. Nach dem Versammlungsgesetz kann eine Versammlung aus mehreren Bezugsgruppen bestehen, die alle zum gleichen Thema ihre Meinung kundtun und in Sichtweite zueinander stehen. Das wird heute der Fall sein. An bis zu 7 Standorten im Kreuzungsbereich Bardowicker Straße/Vor dem Bardowicker Tore und Hindenburgstraße/Reichenbachstraße werden bis zu 2 Menschen mit Plakaten und Megafon stehen, um ihren Protest sichtbar zu machen. Angemeldet wurde darüber hinaus das Erklimmen von zwei Bäumen. Dort ist das Plakat der Demonstran*innen nämlich gut sichtbar. Das Tragen von Mundschutz oder Schals vor dem Gesicht gehört zu den Auflagen. Die Anzahl der Beteiligten ist auf 14 begrenzt und es muss im Voraus feststehen, wer sich wo hinstellen wird.
Der Landkreis hielt nun die Anmeldung für verordnungskonform und die Versammlungsbehörde bestätigte die Versammlung.
Es ist schwer eine Versammlung unter diesen Bedingung durchzuführen, aber das ist ein Dammbruch für Niedersachsen. Seitdem Verfügungen und Verordnungen die Zusammenkünfte von mehr als 2 Personen untersagen, wurden in Niedersachsen alle angemeldeten Versammlungen verboten und spontan durchgeführte als Straftat behandelt, selbst bei Versammlungen mit dem gebotenem Abstand von 1,5 Metern.
« Wir werden in den kommenden Tagen Informationen zu unserer Demonstrationsanmeldung veröffentlichen. Damit andere Menschen diese für die Anmeldung ihrer eigenen Demonstration nutzen können. » erklärt eine Demonstrantin. „Die Verteidigung von Grundrechten ist eine wichtige politische Aufgabe! Aber jetzt gilt erstmal Zeichen setzen und für eine andere Asylpolitik zu demonstrieren! #LeaveNoOneBehind! »
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