„Augen auf! Gemeinsam gegen Rechts Salzwedel“- Kampagne gestartet

Wir dokumentieren hier den Offenen Brief der Kampagne:

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Interessierte,

wir möchten Sie aus aktuellen Anlässen auf den offenen Brief zu rechter Gewalt in Salzwedel aufmerksam machen und auf die Kampagne Augen auf! hinweisen. Wir freuen uns über Rückmeldungen und Unterstützung:

Offener Brief zu rechter Gewalt in Salzwedel

Wir sind alarmiert – viele Menschen in Salzwedel haben in den vergangenen Monaten die Explosionen von Böllern im Stadtgebiet registriert. Die Aktionen geschahen meist aus PKWs heraus. Die Detonationen haben Sachschäden an Gebäuden verursacht, dabei wurden u.a. Fensterscheiben zerstört. Auch eine Vielzahl von Farbattacken auf
öffentliche und Privatgebäude wurden registriert, darunter auf einen selbstverwalteten Treffpunkt für geflüchtete Menschen in der Altperver Straße. Zum Teil wurden dabei erhebliche Sachschäden an Häusern verursacht. Nach Monaten der Beobachtung dieser scheinbaren Einzelfälle wird deutlich, dass dies nicht zufällig passiert, sondern Bestandteil der Aktivitäten eines Milieus verschiedener rechter Akteure in der Stadt
Salzwedel ist. Diese verfolgen eine Strategie der Bedrohung und Einschüchterung durch gezieltes Aufsuchen von Einzelpersonen und Treffpunkten von Andersdenkenden.
Aus Gesprächen mit Betroffenen und Bewohner*innen der Stadt und aus dem Umland wird deutlich, dass diese Situation völlig unterschiedlich wahrgenommen wird: Während einige vielleicht noch ein allgemeines Unbehagen verspüren, erleben immer mehr Jugendliche und deren Eltern diese ständige Bedrohung als massive Beeinträchtigung ihres Lebens. Auch engagierte Lehrkräfte sind zum Ziel dieser Einschüchterungen geworden. Gerichtlich verhandelt wurden vor dem Amtsgericht Salzwedel und dem Landgericht Stendal einige Fälle, bei denen es nicht bei der Androhung von Gewalt geblieben war.

Jüngster Höhepunkt dieser Entwicklung ist der Angriff von mehreren vermummten und bewaffneten Rechten auf das Autonome Zentrum „Kim Hubert“ in der Altperverstraße in der Nacht vom 4. auf den 5. Juni. DieAngreifer stürmten mit Schlagwerkzeugen bewaffnet in mehrere Zimmer, wo sie sofort anfingen, anwesende Personen mit Pfefferspray anzugreifen und gezielt Türen, Fenster und Mobiliar zu zerschlagen. An einigen Stellen wurden Spuren gefunden, die auf die Benutzung einer Axt bei der Verursachung von schweren Beschädigungen schließen lassen.

Das Problem ist in der Stadt weniger offen sichtbar: Jüngere Neonazis sind als solche nur schwer äußerlich erkennbar. Schon seit Jahren spielen NPD, Springerstiefel und Bomberjacke keine Rolle in der rechten Szene, so dass die Vorkommnisse von nicht Betroffenen schnell als Auseinandersetzung unter Jugendlichen abgetan werden.

Rechte Hintergründe:
Die meisten Neonazis bewegen sich häufig unauffällig in der Schule, sind in Ausbildung und Beruf, arbeiten z.T. im elterlichen Betrieb. Sie leben als „Nazis nach Feierabend“. Andere werden sozial auffällig und steigern sich bis hin zu verurteilten Gewalttätern.
Sie alle sind eingebunden in ein dichtes Netz von rechten Wohlfühlzonen, Kampfsport und Fitness wie in der Bodyfactory Salzwedel, Fußballvereinen, Abhängen auf Parkplätzen mit Kumpels. Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um Orte der rechten Szene, jedoch werden sie dort zumindest geduldet. Manchmal werden auch die Läden älterer, teils ehemaliger Nazis genutzt, die Einrichtungen in Salzwedel betreiben und Verbindungen zu rechten Türstehern bei Clubs und Diskos haben.

Aus diesem Bild ergibt sich, dass du als Jugendliche*r kaum eine Möglichkeit hast, dem Konflikt aus dem Weg zu gehen und du mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit grundlos Stress bekommst. Konkret bedeutet das: rechte Parolen auf dem Schulhof, angepöbelt werden auf dem Schulweg mit rassistischen Beschimpfungen, Nazis als Security bei Stadtfesten und im größten Supermarkt der Stadt. Aktuell spielen einige der rechten Akteure im Kuhfelder Sportverein Fußball. Wir haben Salzwedeler Jugendliche
darauf angesprochen und diese bestätigten uns, dass die Situation unter „Hakenkreuz Kuhfelde“ durchaus bekannt sei. Wir verstehen nicht, dass ein Sportverein wie der KSV, der ansonsten für gute Jugendarbeit und aktiven Sport über den Ort hinaus geschätzt ist, dieser Herrenmannschaft und ebenfalls der damit zusammenhängenden rechten Fanszene eine Plattform bietet.

Die Situation ist bereits so weit eskaliert, dass einige Jugendliche das Gefühl haben, dass es extreme Rechte im Alter von 15 – 45 Jahren in Salzwedel überall gibt. Zu bestimmten Uhrzeiten und an einigen Orten gehen sie nicht mehr alleine durch die Stadt. Wer abends alleine unterwegs ist, hat mit Beschimpfungen und Bedrohungen aus vorbeifahrenden Autos mit lauter Musik zu rechnen. Es kam bereits mehrfach dazu, dass ein Fahrzeug beschleunigt auf Menschen zugefahren ist. Auch vor körperlichen Angriffen, wie einem rassistisch motivierte Faustschlag ins Gesicht und einem Flaschenwurf auf ein fahrendes Auto, wird nicht zurück geschreckt.

Die Verunsicherung besteht nicht nur bei jungen Menschen, auch bei Erwachsenen wirkt sich die Siuation auf Verhalten, öffentliche Meinungsäußerung und somit auf die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe aus.

Wir sehen an dieser Stelle unsere Verantwortung als Menschen, die in dieser Stadt leben, die in dieser Stadt arbeiten, Freund*innen haben, sich hier frei bewegen wollen. Wir sehen uns in der Verantwortung auf diese unhaltbaren Zustände täglicher Bedrohung aufmerksam zu machen. Wir schreiben diesen Brief, damit sich diese Verhältnisse ändern. Klare Zeichen für eine solidarische Gesellschaft und gegen rechte Gewalt sind notwendig!
Wir sind viele und wir alle haben die Aufgabe und auch jede*r für sich die Möglichkeit, den Wirkungskreis der rechten Akteure zu beschränken. Es ist nicht die alleinige Aufgabe politischer Vertreter*innen und der
Stadtverwaltung, sondern es geht auch um Sport- und Kleingartenvereine, Gaststätten und Diskotheken, Supermärkte, Geschäfte, Restaurants – alle Orte des gesellschaftlichen Lebens sind betroffen und haben die
Möglichkeit ein Zeichen zu setzen.
2016 zeigte beispielsweise der Handballverein in Salzwedel mit einem Vereinsausschluss auf den Gewaltexzess eines rechten Intensivtäters eine deutliche Grenze auf und setzte damit ein klares Signal.

Wir Alle tragen ein Stück Verantwortung für ein lebenswertes und offenes Klima des Zusammenlebens in Salzwedel. Wir stehen ein für ein solidarisches Zusammenleben! Wir stehen ein für ein solidarisches Zusammenleben in Salzwedel!

*Augen auf! Gemeinsam gegen Rechts Salzwedel*

www.augenaufsaw.net

Kontakt: augenaufsaw@posteo.de

Der offene Brief wird unterstützt von

Aktionsbündnis solidarisches Salzwedel
Bündnis 90/Die Grünen KV Salzwedel
Bündnis 90/Die Grünen KV Stendal
eXchange Salzwedel
Kultur-Nische Salzwedel
Kurve Wustrow, Bildungs- und Begegnungsstätte
MGH Salzwedel
Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt Anlaufstelle Nord Salzwedel
SoNet – Soziales Netzwerk für weltoffene und demokratische Jugend- und
Sozialarbeit im Altmarkkreis Salzwedel
Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt
SJD Die Falken Sachsen-Anhalt
Solid Sachsen-Anhalt