Von Glück und Frieden
Musiker Heinz Ratz spielte mit seiner Band im Flüchtlingscamp in der Üfest bei Woltersdorf
Heinz Ratz ist ein Musiker, dem das Elend der Welt nicht egal ist. Mit seiner Band „Strom und Wasser“ hat er sich für viele Anliegen engagiert, in den vergangenen Jahren besonders für Flüchtlinge. Am Sonntag spielte er auf dem Gelände der Woltersdorfer Üfest.
st Woltersdorf. Die Sonne strahlt, die KLP zieht unzählige Menschen in idyllische Gärten, wo es schöne Dinge, leckere Sachen und manchmal auch Musik gibt. Woltersdorf liegt eher abseits der kulturellen Trampelpfade und die Üfest samt Flüchtlingscamp liegt noch mal abseits von Woltersdorf. Dort, inmitten von nichts als Landschaft, leben nun also Menschen, die vor Krieg, Ungerechtigkeit und Perspektivlosigkeit geflohen sind, und können nichts tun, außer warten. Ja, es gibt Essen, Helfer, Betreuer und es fallen keine Bomben, das ist gut, aber es gibt eben nichts zu tun.
Bis Sonntag: Heinz Ratz ist ein Musiker, dem das Elend der Welt nicht egal ist. Mit seiner Band „Strom und Wasser“ hat er sich für viele Anliegen engagiert, in den vergangenen Jahren besonders für Flüchtlinge. In Zusammenarbeit mit Pro Asyl und einigen bekannten Kollegen tourte er durch diverse Flüchtlingslager und lernte dort Musiker aus allen Ländern kennen, die ihn teilweise begleiteten. Dafür wurde er vielfach ausgezeichnet und gelobt, auch von den Politikern, die gleichzeitig dabei waren, die Asylgesetze zu verschärfen. Ja, die Welt ist voller Gründe, zu verzagen. Aber es gibt noch mehr Gründe, weiterzumachen. Und so kam die Band, auf Einladung der Helfer in Lüchow-Dannenberg, für ein Konzert in das Camp bei der Üfest.
Es hätte sicher voller sein können, als die vielleicht 200 Menschen, die sich auf dem weitläufigen Gelände eingefunden hatten, aber das ist nicht der Punkt. Es war für Helfer und Bewohner des Camps ein Tag, an dem etwas passiert und an dem sie etwas zu tun hatten. Sie sind, so heißt es im Text eines Syrers, „wie der Strand, nicht ganz im Meer, nicht ganz am Land“. Sie werden nicht gebraucht und kaum gesehen, doch hier und heute ist das anders. Schon am Vortag haben die Frauen gekocht, der ASB hat Zelte aufgebaut, der Wirt vom „Tandure“ aus Lüchow, einst selbst ein Flüchtling, gab Unterstützung, die Spedition Süßmilch einen Anhänger für die Bühne – es war etwas los, man konnte etwas tun, wurde gebraucht und gesehen. Am Eingang stehen freundliche Security-Leute, Kinder spielen Frisbee oder Fußball, Flüchtlinge aus anderen Orten kommen mit ihren Unterstützern, Essen und Getränke gegen Spende und natürlich die Band.
Die Lieder sind einfach, handeln vom Glück, und was es dazu braucht, oder von den coolen Leuten, und warum die niemand braucht. Jamila, eine schwarze Frau aus Hamburg, singt ein Lied von der Elfenbeinküste, wo sie vielleicht herstammt. Abbas, ein Rapper aus Ghana, sorgt erst für härtere Töne, um später ganz entspannt im Reggae-Rhythmus von Frieden und Harmonie zu singen. Es ist wie ein normales Konzert, es spielt eine Band, man kann CDs kaufen.
Aber es ist nicht sehr laut, man kann herumgehen und mit Menschen sprechen, die schon lange nicht mehr gefragt wurden, denen schon lange niemand mehr zuhören wollte. Man kann ihre Gesichter sehen und wie manche von ihnen – ein bisschen zaghaft vielleicht – beginnen zu tanzen und für ein paar Augenblicke einfach nur leben. Ja, es hätten mehr Leute kommen können. Ja, ab Montag geht das Warten weiter und ja, so ein Konzert ändert nichts an der Lage. Oder vielleicht doch? Zumindest ein bisschen?
ejz. vom 10.05.2016