Presseerklärung der Alarmkette Wendland gegen Abschiebungen

Der Staatsschutz ermittelt gegen ehrenamtlich engagierte Mitbürger*innen aufgrund einer Strafanzeige durch die „Niedersächsische Partei (NP)“. Hintergrund der Ermittlungen ist ein Artikel in der EJZ über die SMS-Alarmkette gegen Abschiebungen, einer Initiative im Wendland, die von Abschiebung bedrohte Menschen unterstützen will.

Anzeige erstattete die Niedersächsische Partei gegen eine „Einwanderungsextremistin“ – so die Formulierung auf deren Webseite. Ihre Berichterstattung zu der Alarmkette und zu ihrer Strafanzeige gegen eine der Unterstützer*innen beendet die NP mit dem besorgniserregenden Aufruf: „Die Leser werden gebeten, Frau (…) zu kontaktieren, um ihr mitzuteilen, dass ihre verqueren Ansichten nicht alternativlos sind.“

Seit Monaten werden wieder Menschen aus Deutschland abgeschoben, obwohl die katastrophale Situation, die sie in den Herkunftsländern erwartet, hinreichend bekannt ist. Die momentan gängige Abschiebepraxis – ohne Vorankündigung und bei Nacht – wird selbst gegen alleinstehende Frauen mit kleinen Kindern angewandt, auch hier im Wendland. In vielen Fällen werden die Menschen „mit der freiwilligen Rückkehr“ unter Druck gesetzt, auch ohne dass alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Das ist menschenverachtend. Menschen, die aus Kriegs- und Krisengebieten geflohen sind, werden erneut plötzlich und gewaltsam ihrer Existenz beraubt.

Darum hat sich die Alarmkette organisiert, um der Abschiebung unserer Nachbarn nicht tatenlos zuzusehen und das Recht auf Versammlungsfreiheit vor dem Haus der zu Deportierenden in Anspruch zu nehmen. Die Alarmliste „Wendland gegen Abschiebungen“ hat im Herbst 2014 in einem offenen Brief an den Landrat ihr Vorhaben angekündigt und ihre Beweggründe erklärt.

Wir beurteilen es sehr kritisch, dass die Strafanzeige einer offen antidemokratischen Gruppierung wie der NP ein derartiges Ermittlungsverfahren zur Folge hat. Ein Verfahren gegen Personen, die mit ihrem ehrenamtlichen Engagement seit vielen Jahren Menschen das Funktionieren einer demokratischen Allgemeinheit möglich machen, indem sie Geflüchtete hier im Wendland unterstützen und bei den ersten Schritten am neuen Wohnort begleiten.

In ihrem Programm äußert die „Niedersächsische Partei“ die Besorgnis, dass es dem „etablierten Parteienkartell gelingt, unter Missachtung des Charakters und der Zielsetzung des Grundgesetzes das deutsche Volk gegen eine multirassische, multiethnische, multireligiöse und multikulturelle Bevölkerung auszutauschen.“ Nach ihrer Vorstellung „haben nur Deutsche ohne Migrationshintergrund zu entscheiden, wer hierzulande Aufnahme findet oder das Land wieder verlassen muss.“ Sie kämpfen nach ihren Angaben „gegen die EU-Führungskaste und die europäischen Gerichte“ und „gegen das etablierte Parteienkartell.“

Die Menschen von der Alarmliste „Wendland gegen Abschiebungen“ erklären sich solidarisch mit allen friedlichen Blockaden gegen Abschiebungen. Für uns sind sie Ausdruck von aktiver Mitmenschlichkeit und von dringend nötiger Solidarität mit Menschen auf der Flucht. Ziviler Ungehorsam gegen Gefahren und Ungerechtigkeit hat eine sehr lange und unverzichtbare demokratische Tradition. Es ist deshalb, gerade in Zeiten von Kriegen und gesellschaftlicher Polarisierung, ein Zeichen der Hoffnung, wenn sich ganz unterschiedliche Menschen gemeinsam friedlich gegen die Unmenschlichkeit von Abschiebungen stellen. Wir wollen einen Landkreis, der das solidarische Zusammenleben aller Menschen fördert und Geflüchtete aufnimmt.

Wer bis jetzt noch nicht auf der Alarmliste steht, kann dies noch nachholen, indem ihr eine SMS an das Alarmtelefon 01523 66 82 579 schickt mit der Bitte um Eintrag.

Wir fordern die Verantwortlichen des Landkreises auf, sich nicht an der menschenfeindlichen Abschiebepraxis zu beteiligen.

Wir fordern Polizei, Staatsanwaltschaft und die Vertreter*innen des Landkreises auf, ihre Ehrenamtlichen vor Verunglimpfungen und Bedrohungen durch offen antidemokratische, rechtsnationale Gruppierungen in Schutz zu nehmen und das laufende Ermittlungsverfahren einzustellen.