Kommentar zur Freien Schule Hitzacker und deren Ausschluss eines Sohnes eines Rechtsradikalen

Von Benjamin Piel

Da hat die Freie Schule Hitzacker einen schweren Fehler begangen. Das haben viele gedacht, als sie davon lasen, dass das Kind eines Rechtsradikalen die Schule verlassen musste. Was kann es für die Haltung des Vaters? Muss es leiden, weil eine Schule nicht ertragen kann, dass ein NPD-Mann sein Vater ist? Hat eine Waldorfschule überhaupt das Recht, über einen Rassisten zu urteilen? Wo doch Schulgründer Rudolf Steiner Sätze geschrieben hat wie diesen: „Wieder anders ist die afrikanische, die äthiopische, die Negerrasse. Da sind Instinkte, welche sich an das niedere Menschliche anknüpfen.“ Müsste eine Schule, die sich auf die Lehren dieses Mannes bezieht, nicht ganz ruhig sein, wenn es um Rassismus geht? Alles das sind berechtigte Fragen. Doch am Ende lässt sich trotzdem zu dem Schluss kommen, dass die Schule eben keinen Fehler begangen hat.

Erstens ist die Freie Schule nun einmal keine staatliche, sondern eine Privatschule. Würde eine staatliche Schule ein Kind aufgrund der Einstellung des Vaters von der Schule werfen, wäre das ein Skandal. Denn eine staatliche Schule kann sich nicht aussuchen, welche Schüler sie (nicht) unterrichten möchte. Staatliche Schulbildung gibt es für alle und sei der Vater noch so braun oder rot oder pädophil oder fundamentalistisch. Eine Privatschule hat andere Möglichkeiten, ihre künftigen Schüler zu selektieren. Sie ist so frei. Das Internat Salem ist auch kein Ort für Hartz-IV-Empfänger-Kinder. Man muss das nicht mögen, man kann das auch kritisieren, aber es ist zunächst einmal ein nüchterner Fakt.

Zweitens ist der Vater kein rechter Mitläufer, sondern ein organisierter Rechtsradikaler, der in seiner Partei im Besonderen für eines zuständig ist: Jugendliche zu gewinnen. Es sei sein Ziel, an der Familienfront volkstreue Jugendliche zu erziehen. Solche Sätze gehören für den Mann zur Normalität. Es ist mehr als nachvollziehbar, dass eine Schule, die sich ihre Schüler aussuchen kann, nichts mit einem Menschen zu tun haben will, der diese Ziele benennt. Denn dieses Denken und diese politische Intention sind eine Gefahr für die übrigen Schüler. Eltern haben an der Freien Schule eine besondere Stellung, sie wirken mehr an Prozessen mit als an einer staatlichen Schule. Dass die Schule ihre Schüler nicht auf Jahre zumindest unterschwelligen Radikalbotschaften aussetzen will, ist verständlich.

Drittens hat sich die Schule die Stuttgarter Erklärung zur Basis gemacht, die sich gegen Rassismus wendet. Darin heißt es: „Die Freien Waldorfschulen verwahren sich ausdrücklich gegen jede rassistische oder nationalistische Vereinnahmung ihrer Pädagogik.“ Eindeutiger geht es nicht. Zwar ist die Auseinandersetzung mit Lehrmeister Steiner innerhalb der Anthroposophie eine oft (zu) vorsichtige, und viele weigern sich, an der Überfigur, die so manchen Unfug von sich gegeben hat, zu kratzen. Deshalb lässt sich der Freien Schule aber nicht vorwerfen, sie habe nicht das Recht, sich ein Urteil über einen Rechtsextremen zu leisten. Nein, die Schule setzt sich mit dem Thema intensiv auseinander, lässt die Eltern unterschreiben, dass sie das antirassistische Leitbild der Schule mittragen. Handeln sie dagegen, hat das Konsequenzen. Dieses Verfahren ist transparent und fair. Denn niemand ist gezwungen, sein Kind an einer Privatschule anzumelden und niemand ist mithin gezwungen, derlei Grundsätzen zuzustimmen. Wer es aber tut, der kann sich nicht ernsthaft über Rückkopplungen wie im konkreten Fall wundern.

Die Freie Schule hatte eine schwere Entscheidung zu treffen und viele kritische Fragen stellen sich zurecht. Doch es gibt in einer solchen Frage keine absolut richtige Lösung, höchstens einen nachvollziehbaren Weg. Den ist die Schule gegangen.

gefunden: 3.12.2016