Illegale Wahlwerbung?

Verwaltungen leiteten Briefe von rechter Partei Alfa größtenteils an Kreistags- und Ratsmitglieder weiter

Die junge Partei Alfa, die der AfD-Grründer Bernd Lucke ins Leben gerufen hat, hat zahlreiche Lüchow-Dannenberger Kommunalpolitiker angeschrieben. Verwaltungen machten sich bei der Zustellung teilweise zu Erfüllungsgehilfen. Die Samtgemeinde Lüchow weigerte sich, die Post zuzustellen. Sie schredderte die Schreiben.

bp Lüchow. Einige Kommunalpolitiker sind schwer verstimmt. Die konservative Partei Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) hat den Versuch unternommen, zahlreiche, vielleicht gar alle Kommunalpolitiker in Niedersachsen anzuschreiben. Die junge Partei hat, vermutlich über das Internet, die Namen von Abgeordneten bis in die Räte der kleinsten Gemeinden hinein herausbekommen und persönlich angeschrieben. Allerdings waren die Umschläge nicht an die Privatadressen der einzelnen Ratsmitglieder adressiert, sondern gingen als Sammelschreiben an die Kreis-, Samtgemeinde-, Stadt- und Gemeindeverwaltungen. Erstaunlicherweise ist diese Strategie zumindest in Lüchow-Dannenberg aufgegangen. Einige Verwaltungen machten sich entweder bereitwillig oder fahrlässig zu Postboten der umstrittenen Partei.

Deren Ziel ist es, mit dem Schreiben Kommunalpolitiker von ihren bisherigen Partei abzuwerben und zu Alfa zu locken. „Sie sind in Sorge, dass wir bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen erneut große Verluste der Volksparteien erleben (…)? Können Sie sich vorstellen, gemeinsam mit vielen anderen am Aufbau einer neuen, sachlich-konstruktiven und bürgernah arbeitenden politischen Kraft mitzuwirken? Dann rufen Sie uns an. Diskretion ist selbstverständlich“, lauten zentrale Sätze in dem Schreiben. Und weiter: „Wir freuen uns auf eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ihnen: Im Rat, in einer gemeinsamen Fraktion oder innerhalb unserer Allianz für Fortschritt und Aufbruch.“ Als Ziele gibt Alfa unter anderem eine „atmende Obergrenze für Flüchtlinge“, eine „konsequente Integrationspolitik“, eine EU als Union souveräner Staaten, die besondere Wertschätzung von Familien, den Erhalt landwirtschaftlicher Familienbetriebe, die Stärkung der inneren Sicherheit, mehr direkte Demokratie an und spricht sich gegen eine europäische Transfer- und Schuldenunion aus. Die Gruppe um den AfD-Gründer Lucke geht also quasi zurück zu den Ursprüngen der AfD. Der Ursprung von Alfa ist schließlich eine Gruppe von Menschen, die sich zusammen mit Parteigründer Bernd Lucke von der aus ihrer Sicht zu weit nach rechts abgedrifteten Alternative für Deutschland (AfD) abgespalten hat.

Darüber, dass die Stadt Wus-trow das Schreiben an ihn als Ratsherrn weitergeleitet hat, ist Markus Schöning (Grüne) richtig sauer. Auf seine kritische Nachfrage, wie das denn sein könne, habe er die Antwort erhalten, die Verwaltungskraft der Stadt habe die Schreiben weitergeleitet. Ein Unding, findet Schöning, er wolle keine Werbung von, so seine Wortwahl, „Neofaschisten“ bekommen, schon gar nicht könne es sein, dass Verwaltungen sich dafür missbrauchen lassen würden. Das ist aus seiner Sicht unter anderem nicht mit dem Datenschutz vereinbar. Auch Stadt- und Gemeinderäte im Nordkreis sollen das Schreiben über die Verwaltungen zugestellt bekommen haben, ebenso die Kreistagsmitglieder.

Nachfrage bei der Kreisverwaltung: Warum verschickt die Kreisverwaltung Wahlwerbung für eine politische Partei? Die Post für die Kreistagsabgeordneten werde beim Landratsbüro gesammelt und von dort aus versendet, erläutert Kreissprecherin Vera Koopmann. „Wir sind daran gehalten, das Briefgeheimnis, welches nach Artikel 10 des Grundgesetzes unverletzlich ist, zu wahren“, so Koopmann weiter. Verschlossene Umschläge, die direkt an die adressiert wurden, dürfe die Verwaltung demnach „nicht auf ihren Inhalt hin“ prüfen. Auch stehe es der Verwaltung „nicht zu, den Kreistagsabgeordneten direkt an sie adressierte Post vorzuenthalten“. Im konkreten Fall sei der Kreisverwaltung „nicht bekannt“ gewesen, welcher Inhalt sich in den verschlossenen Briefen befunden habe. Deshalb seien die Briefe „pflichtgemäß weitergeleitet“ worden, betont Koopmann.

Ganz anders lief die Sache im Lüchower Rathaus bei der dortigen Samtgemeinde-Verwaltung. Als das Paket mit den Briefumschlägen dort eintraf, entschied SG-Bürgermeister Hubert Schwedland (parteilos), dass seine Verwaltung „nicht Briefträger einer Partei sei“. Er stufte die Sendung als Wahlwerbung ein und ließ die Briefe „in den Schredder hauen“. Seine Überzeugung: „Wenn eine Partei für sich werben will, dann soll sie die Menschen selbst anschreiben.“

gefunden: EJZ 30.05.2016