Rost auch am Vertrauen

Schwach radioaktiver Abfall im Zwischenlager Gorleben im Visier

Von Peter Mlodoch

Hannover/Gorleben. Der Boden des gelben 400-Liter-Fasses wölbt sich leicht nach außen und weist Rostschaden und Farbabplatzungen auf. Außerdem ist ein ringförmiger Abdruck zu sehen: er stammt von einem 200-Liter-Fass, das offenbar mit einiger Wucht in den größeren Behälter platziert worden ist. Das Gebinde steht im Abfalllager Gorleben (ALG), dem Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, direkt neben der Halle mit den 113 Castoren für hochradioaktiven Atommüll. Es enthält Rückstände aus dem hessischen Atomkraftwerk Biblis und ist zusammen mit 70 weiteren Fässern für den Transport nach Duisburg vorgesehen, wo es für eine spätere Endlagerung im Schacht Konrad konditioniert werden soll. Radioaktivität tritt den Angaben zufolge nicht aus.

Wie aber der Zustand dieses Doppelfasses hinter den Blechwänden genau aussieht, was sich im Einzelnen drinnen befindet und woher die Korrosion stammt, können die Verantwortlichen bisher nicht sagen. ,,Das wissen wir noch nicht“, erklärte Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) gestern in Hannover. Der Fall zeige daher, wie dringend ein zentrales Atommüll-Register sei. ,,Wir brauchen eine vernünftige Datei“, forderte der Minister. Nur so sei eine lückenlose Kontrolle und Nachverfolgung der radioaktiven Abfälle möglich. Die Industrie müsse nach dem Verursacherprinzip die Kosten für die Kartei übernehmen. Bisher lehnen die Atomkonzerne ein öffentliches Register ab und berufen sich dabei unter anderem auf ihre Geschäftsgeheimnisse.

Das Ministerium wies die Gesellschaft für Nuklear Service (GNS) als Gorleben-Betreiberin an, Lagerungskonzept und Alterungsmanagement im ALG erhöhten Sicherheitsanforderungen zu unterstellen. Dazu gehörten unter anderem optische Kontrollen etwa durch Kameras, bessere Begehbarkeiten sowie neue Lüftungsanlagen. Vor einem Abtransport müsse jeder einzelne Behälter in Augenschein genommen wenden. Bisher galt offenbar das „Referenzfass-Konzept“: Dabei wurden nur einzelne Fässer untersucht; waren diese in Ordnung, wurde dies auch für den dicht gestapelten Gesamtbestand angenommen. Laut Wenzel weist ein weiteres Fass ebenfalls Rostschäden auf.

GNS-Sprecher Jürgen Auer sprach dagegen nur von einem betroffenen Behälter. „Die Fassintegrität ist nicht gefährdet, die Oberfläche ist kontaminationsfrei.“ Daher könne man das Fass wie vorgesehen in einen Container einstellen und nach Duisburg transportieren. Erst dort könne man auch Zustand und Inhalt genau prüfen. ,,In Gorleben dürfen wir die Gebinde nicht öffnen, dafür haben wir keine Genehmigung.“ Nach Einstellen des 200-Liter-Fasses sei das 400-Liter-Fass mit Beton verfüllt worden; dies garantiere den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle. Gleichzeitig spreche vieles dafür, dass die Restfeuchtigkeit von dem flüssigen Beton herrühre.

Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg warf der GNS dagegen vor, den Vorfall zu verharmlosen. ,,Der Betreiber spielt die Sauberfirma“, meinte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Ein bloßes Abschreiten der Behälter reiche als Kontrolle bei weitem nicht aus: Jedes einzelne Fass müsse eingehend untersucht werden.

Schon im Jahr 2014 hatte es im Abfalllager Farbabplatzungen an einem Mosaikbehälter gegeben.

Fass sollte eigentlich nach Morsleben

Das angerostete Fass gehört zu einer Charge van 1307 Atommüllbehältern, die nach der Wende in das alte DDR-Endlager Morsleben hätten gebracht werden sollen. Wegen dessen Schließung landeten sie aber 1999 im ALG, ihre Zwischenlagerung in Gorleben wurde für 20 Jahre, also bis 2019, genehmigt. Nach und nach sollen sie in Duisburg und am GNS-Standort Jülich so in Stahlblechcontainer umverpackt werden, dass sie den Endlagerbedingungen des Schachts Konrad entsprechen. Dessen Inbetriebnahme verzögert sich jedoch, die Rede ist derzeit von 2022. Nach ihrer Konditionierung müssten die 1307 Fässer also noch einige Jahre zwischengelagert werden. Dass sie dafür wieder nach Gorleben zurückkehren, schließt GNS-Sprecher Auer allerdings aus.

gefunden in EJZ, 05.04.2016