Erstmals seit 2011 wird demnächst ein Castortransport mit hoch radioaktivem Atommüll auf die Reise nach Deutschland gehen, möglicherweise schon in dieser Woche. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) erteilte kürzlich die Transportgenehmigung dafür – sie gilt vom 1. März bis 31. Dezember 2020. Die beauftragte Transportfirma DAHER Nuclear Technologies GmbH habe alle notwendigen Sicherheitsanforderungen nachgewiesen, sagte eine BASE-Sprecherin.
Die Genehmigung gilt für sechs Castorbehälter, die in der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield befüllt wurden. Ziel der Fuhre ist das Zwischenlager beim stillgelegten Atomkraftwerk Biblis im südlichen Hessen. Über welche Route der Atommüll dorthin gebracht werden soll, ist geheim. Umweltschützer gehen aber davon aus, dass die Ladung im Hafen von Nordenham bei Bremerhaven vom Schiff auf Güterwaggons umgeschlagen werden könnte.
In den nächsten vier Jahren sollen 25 Castoren nach Deutschland gebracht werden – 20 aus Sellafield und fünf aus dem französischen La Hague. Außer Biblis werden die Zwischenlager an den Atomkraftwerken in Philippsburg (Baden-Württemberg), Ohu (Bayern) und Brokdorf (Schleswig-Holstein) angefahren.
Bei dem Atommüll handelt es sich um wiederaufbereitete abgebrannte Brennelemente aus deutschen Atommeilern. Die Rücknahme der Abfälle ist dem BASE zufolge »völkerrechtlich verbindlich« vorgegeben. Öffentlich bekannt geworden sind solche Verträge bislang allerdings nicht.
Bis 2005 transportierten die deutschen AKW-Betreiber abgebrannte Brennelemente nach La Hague und Sellafield. Dann wurden, um Transporte zu minimieren und die Wiederaufarbeitung zu beenden, die Betreiber verpflichtet, Zwischenlager an den Standorten der Reaktoren zu bauen. Bis 2011 rollten die Rücktransporte ins zentrale Zwischenlager Gorleben – dort stehen heute rund 80 Prozent der Behälter mit verglasten radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung. 2013 entschied der Bundestag, dass der verbleibende Müll aus der Wiederaufbereitung zu den Zwischenlagern auf dem Gelände der AKW transportiert werden soll – bei der anlaufenden Suche nach einem Endlager sollte nicht der Eindruck erweckt werden, Gorleben sei als Standort bereits festgelegt.
Im Zwischenlager Biblis ist die Aufbewahrung von bis zu 135 Behältern mit hoch radioaktiven Abfällen gestattet. Inklusive der nun erwarteten Castoren wäre noch Platz für 27 weitere Behälter. Umweltverbände wie der BUND warnen vor Sicherheitsrisiken in Biblis. »Hochproblematisch« sei vor allem, dass es dort keine Reparaturmöglichkeit für beschädigte Castorbehälter gebe, heißt es beim BUND-Landesverband Hessen.
Die Anti-Atom-Organisation »Ausgestrahlt« übt grundsätzliche Kritik an den Transporten. Zwar sei es richtig, strahlenden Müll aus deutschen Atomkraftwerken nicht zu exportieren und den, der in anderen Ländern lagert, zurückzunehmen. Doch das solle erst dann passieren, wenn klar sei, wo er dauerhaft gelagert werden könne. Ansonsten werde sich die Zahl der gefährlichen Transporte verdoppeln, da jeder Behälter erst zum Zwischenlager und danach weiter zu einem Endlager gebracht werden müsse.
Der atomkraftkritische Physiker Wolfgang Neumann verweist zudem darauf, dass die Zwischenlagerung von radioaktivem Abfall für 40 Jahre genehmigt ist. Bis eine unterirdische Endlagerung möglich ist, werde es aber viel länger dauern.
»Schluss mit Herumlavieren, es muss endlich ein valides Konzept für eine längerfristige Zwischenlagerung her«, meint BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. »Doch das bleibt der Gesetzgeber den Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Stattdessen wird weiter Unsicherheit geschaffen.«
Die Zwischenlager an den AKW-Standorten würden zu ungeeigneten Langzeitlagern, moniert das kürzlich gegründete Aktionsbündnis »Castor stoppen!«. Die Hallen seien nicht gegen Flugzeugabstürze oder den Beschuss mit panzerbrechenden Waffen gesichert. Das Bündnis hatte bereits Anfang Februar in rund einem Dutzend Orten bundesweit gegen die bevorstehenden Transporte protestiert.
Sobald der Transport in Sellafield startet, sollen die Aktionen verstärkt werden. Auch Blockaden der Transportstrecke sind schon angekündigt.