bp Hitzacker. Die Freie Schule Hitzacker hat offenbar auch weiterhin mit den rechtsextremen sogenannten Völkischen Siedlern zu tun (EJZ berichtete). Die Schule hat nach EJZ-Informationen kürzlich die Aufnahme einer Familie abgelehnt, weil mehrere Hinweise vorgelegen hatten, die Familie entstamme diesem Spektrum. Auf den Verdacht war das Aufnahmegremium offenbar durch einen überregionalen Medienbericht gestoßen. Sowohl die Autoren des Artikels als auch andere Quellen bestätigten, dass die betreffende Familie vor rund einem Jahr eine Zusammenkunft der auch als Neo-Artamanen bezeichneten Szene organisiert habe.
Nach einer, wie zu hören ist, langen internen Diskussion entschied sich die Schule dafür, mit der Familie keinen Schulvertrag abzuschließen. Gegenüber den Eltern begründete die Schule ihre Entscheidung dem Vernehmen nach schriftlich mit der angenommenen politischen Grundhaltung. Nach außen kommunizierte die Schule nichts. Später soll zudem auch noch ein Gespräch zwischen Schule und Eltern stattgefunden haben. Klärenden Charakter hatten Gespräch und schriftliche Mitteilung zumindest aus Sicht der Eltern offenbar nicht. Sie sagen, Opfer einer Verleumdung zu sein.
Bei den Artamanen handelte es sich um einen Ende der 1920er-Jahre gegründeten rassistischen Bund, der sich zum Ziel gesetzt hatte, das deutsche Volk via landwirtschaftlicher Tätigkeit und Blut-und-Boden-Ideologie zu stärken. Diesen Gedanken lassen die nach außen hin oft unauffällig auftretenden Neo-Artamanen oder Völkischen Siedler aufleben. Laut der antirassistischen Amadeu-Antonio-Stiftung liegt ein Kerngebiet der Szene in der Lüneburger Heide.
Die Freie Schule in Hitzacker, eine Schule mit Waldorfpädagogik, hat immer wieder mit Eltern zu tun, die aus diesem Spektrum stammen könnten, sich aber selbst nicht dazu bekennen. Bereits in der Vergangenheit war nach EJZ-Informationen die Aufnahme mindestens eines Kindes aufgrund der Weltanschauung der Eltern verweigert worden, bei denen es sich angenommenerweise ebenfalls um Völkische Siedler gehandelt haben soll. Damals war den Eltern der Grund allerdings nicht genannt worden, denn die Schule lehnt aufgrund der hohen Zahl von Anmeldungen jedes Jahr Kinder ab. Eindeutiger war der Fall eines hohen NPD-Funktionärs, der sein Kind erfolgreich an der Schule angemeldet hatte und dessen Schulvertrag später aufgekündigt wurde (EJZ berichtete).
Umso erstaunlicher mutet es an, dass die Freie Schule auch Jahre nach den ersten Problemen dieser Art noch immer keine Leitlinie entwickelt hat. Dazu befragt antwortet Schulleiter Frank Steinwachs, die Freie Schule habe als selbstverwaltete, nicht-staatliche Schule einen hohen Verwaltungsaufwand bei dünner Personaldecke: „Folglich dauern insbesondere sensible Prozesse, die viele Informationen und die Inanspruchnahme von Referenten von außen erfordern, oft länger.“ Zuletzt sei „erneut die Amadeu-Antonio-Stiftung beratend in unserer Konferenz und abends bei einer Veranstaltung für die Eltern“ gewesen. Zum Problem eines fehlenden Handlungsleitfadens betont Steinwachs: „Wir haben aus Zeitgründen noch keine interne Linie für den Umgang mit Menschen, die als Völkische Siedler bezeichnet werden.“ Zudem stehe die Schule vor dem Problem, dass auch die Forschung habe: „Die Szene bekennt sich gezielt nicht zu ihren Positionen.“ Insofern sei „die Nachweiskultur sehr problematisch“.
Individualentscheidungen zu treffen, ist für die Schule auf Dauer keine Lösung. Steinwachs betont: „Es liegt in unserem Interesse, eine transparente und konsequente Linie zu verfolgen, die von vornherein klar ist.“ Diese allerdings müsse „gründlich und kompetent entstehen“. Gesinnungsschnüffelei wolle die Schule nicht betreiben, die Pädagogen seien auch nicht investigativ tätig. Ziel sei es, sich auf die „Forschung von Fachreferenten und Dokumentationen zivilgesellschaftlicher Organisationen“ zu berufen.
ejz vom 23.6.2017