Das Projekt Integrationsdorf in Hitzacker stößt bei Anwohnern teils auf wenig Gegenliebe
bp Hitzacker. „Weltoffen, herzlich, gesprächsbereit“, das sind drei der sechs Schlagworte, mit dem das Leitbild des Projekts „Hitzacker Dorf“ überschrieben ist. Die Genossenschaft will auf einem knapp sechs Hektar großen Areal, das heute noch ein Feld ist, Häuser mit 100 Wohnungen für 300 Menschen aus aller Welt errichten (EJZ berichtete). Flüchtlinge und Deutsche wollen gemeinsam ein Dorf aus dem Boden stampfen, um miteinander dort zu leben. Doch einige derer, die in dem Wohngebiet um das Areal herum wohnen, haben Bedenken. Sie fühlen sich nicht ausreichend gehört.
Da sind zum Beispiel Oliver Becker und sein Vater Hans-Joachim. Sie finden: „Integration und friedliches Miteinander? Fehlanzeige!“ Denn obwohl es in dem Mehrgenerationen- und Interkulturdorf um Integration geht, fühlen sie sich als Anwohner ausgegrenzt. „Prinzipiell spricht nichts gegen eine alternative Bebauung, aber wir Anwohner wurden von Anfang an über das Projekt im Dunkeln gelassen“, kritisiert Becker. Erst aus der Zeitung habe man von den Plänen erfahren, sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden. „Wir waren perplex, als wir erfahren mussten, was da vor unserer Haustür geplant wird“, erinnert sich Becker. Selbst die Stadt Hitzacker habe Absprachen mit den Anwohnern „nicht für nötig gehalten“. Von den Initiatoren rund um den Kulturbahnhof Kuba seien die Anwohner „erst auf unser Drängen“ zu einem Infoabend eingeladen worden. „Doch dort wurde schnell klar, dass man seitens der Genossen einer anderen Meinung über dieses Projekt nicht sonderlich offen gegenüber steht“, lautet Oliver Beckers Sicht der Dinge. Der inzwischen sehr konkrete Entwurf, wie das Dorf aussehen soll, sei den Anwohnern nie vorgestellt worden. Ihm kommt es so vor, als sollten die Pläne „mit allen Mitteln und den Ellbogen voran“ durchgesetzt werden.
Die Beckers und einige andere Anwohner, die ihre Namen aus Angst, als Rechte zu gelten, nicht in der Zeitung stehen haben wollen, befürchten, „dass Randgruppen herziehen“ könnten, ein Ghetto entstehen könnte, oder dass man, sollte das Projekt scheitern, neben Bauruinen lebt. „Ich will nicht, dass hier ein sozialer Brennpunkt entsteht“, sagt einer. Man habe sich für das Leben in einem Neubaugebiet entschieden, „für einen nicht unerheblichen Preis“. Man hätte sich anders entschieden, hätte man geahnt, dass 300 Menschen auf einen Schlag kommen würden. Man fürchtet, die eigenen Häuser könnten an Wert verlieren. Man glaubt nicht, „dass das so funktioniert, wie die das planen“, mit dem friedlichen Zusammenleben.
„Da haben wir wahrscheinlich einen Fehler gemacht“, gibt Hauke Stichling-Pehlke, einer der Organisatoren der Dorfidee, zu. Man habe den Informationsbedarf der Anwohner nicht genug wahrgenommen. Stichling-Pehlke signalisiert allerdings, die Genossenschaft, die ihre Gründung mit Verzögerung nun fast abgeschlossen hat, sei „absolut gesprächsbereit“. Man wolle eine gute Nachbarschaft und die Anwohner könnten „jederzeit auf uns zukommen“.
Bei dem Gespräch, das vor einem Jahr zwischen den Dorfgründern und ihren Nachbarn in spe stattgefunden hatte, habe man versucht, den Ängstlichen ihre Ängste zu nehmen. Allerdings habe man den Eindruck gehabt, dass sich die Gegenseite sehr auf ihren negativen Kurs eingeschossen habe und eine Annäherung kaum möglich sei. „Wir möchten kein Problem sein, sondern eine Bereicherung“, macht Stichling-Pehlke deutlich. Er und seine Mitstreiter hoffen darauf, dass die kommende Realität die Probleme löst.
Dass alles „öffentlich und transparent gelaufen“ sei, findet Hitzackers Bürgermeister Holger Mertins (FDP). Man müsse damit leben, „dass es immer Menschen gibt, die etwas nicht so toll finden“. Die Bedenkenträger könnten jederzeit nachfragen. Dass sich einige Anwohner ärgern, dass am Ende der Straße Windschlag ein eigentlich geplanter Wendehammer wegfallen könnte, sieht Mertins nüchtern: „Dann müssen wir schauen, wie wir uns einigen.“
Auch den Ärger einiger, dass die Stadt ein rund 1500 Quadratmeter großes Gewerbegrundstück zu einem niedrigen Preis verkauft hat, kann er nicht nachvollziehen. Wer Arbeitsplätze schaffe, bekomme als Ansiedlungsförderung einen günstigeren Preis. Die Kosten für eine Änderung des Bebauungsplans werde die Stadt nicht übernehmen. Allerdings gebe es im Rahmen des Verfahrens eine Öffentlichkeitsbeteiligung, in der auch die Anwohner sich einbringen können. Mertins sieht das Projekt sehr positiv und so sehe es auch die Mehrheit des Stadtrats: „Es geht um ein einmaliges Projekt, und 300 Menschen für Hitzacker wären sehr gut.“
gefunden ejz vom 18.2.2017