Anonyme informieren darüber, dass ein führender Hooligan in einem Ort der Gemeinde Waddeweitz lebt
Waddeweitz. Vor einer Woche hatten die Einwohner mehrerer Dörfer in der Gemeinde Waddeweitz ein Schreiben im Briefkasten. Überschrift: „Informationen über Neonazis im Wendland“. Erster Satz: „Wir können uns vorstellen, dass die folgenden Informationen ein ungutes oder mulmiges Gefühl erzeugen werden.“
Eine vermutlich Antifa-nahe „Recherchegruppe Wendland“ informiert in dem Brief darüber, dass ein früheres Mitglied aus dem „Führungskreis Nord“ der Gruppe „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) und heutiger Vorsitzender der Hooligan-Gruppe „Gemeinsam-Stark Deutschland“ (GSD) seit Anfang des Jahres in dem Dorf lebe. In der Mitteilung sind der Name und die Adresse des Mannes genannt.
Zu ihrer Motivation schreibt die Recherchegruppe: „Obwohl sich Neonazis/Hooligans in ihrem direkten Wohnumfeld häufig unauffällig und zurückhaltend geben, kann das Wissen um ihre Gewaltbereitschaft verunsichern. Daher ist es wichtig, Betroffenheit zu teilen und einen regen Austausch unter Nachbarn zu ermöglichen, nicht wegzuschauen und sich gegenseitig Mut zu machen.“
In der Tat ist der genannte Mann offenbar Vorsitzender des nicht eingetragenen Vereins. Dessen Leitsatz: „Für die Familie, das Volk und die Zukunft der Kinder“. Dessen Selbstwahrnehmung: „eine Zusammenkunft deutscher Patrioten, welche ihr eigenes Land, die Bundesrepublik Deutschland, lieben, ohne dabei andere Länder zu hassen oder sich über diese stellen zu wollen“. Ziel ist es laut Satzung, „dem radikalen Salafismus entgegenzutreten“.
Hervorgegangen ist die Gruppe aus dem zwischenzeitlich zerstrittenen Hogesa, das vor zwei Jahren durch eine Demonstration in Köln, die teilweise in Straßenschlachten mündete, Aufsehen erregte. In Hogesa hatten sich teils verfeindete Gruppen gewaltbereiter „Fußballfans“ zusammengetan, um gegen radikale Islamisten zu mobilisieren.
GSD bezeichnet sich in seiner Satzung als „Zusammenkunft besorgter Bürger der Bundesrepublik Deutschland, für welche radikaler Salafismus eine Gefahr für Deutschland darstellt“. Der Verein setze sich „für deutsche Werte und Freiheiten“ ein. Ziel sei es, „eine Islamisierung von Politik und Gesellschaft“ zu verhindern sowie „eine breite, öffentliche, offene und tabulose Diskussion über das Grundwesen des Islams anzustoßen, aus welcher sich die Erkenntnis ergibt, dass es sich beim Islam um eine religiös begründete totalitäre Ideologie handelt, die einer freien demokratischen Gesellschaft völlig konträr gegenüber steht“. Zudem setzt sich die Gruppe „gegen illegale Einwanderung“ ein. Ausdrücklich heißt es in der Satzung, der Verein arbeite gemäß „der Überzeugung zum freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat“. Das hörte sich auf der ersten GSD-Demonstration im Februar 2015 anders an. Dort hieß es, Deutschland sei „kein freies Land“, sei „besetzt“, sei „die Nutte der Amerikaner“, der „angebliche Rechtsstaat entpuppt sich immer mehr als Unrechtsstaat“. Auch der Neu-Lüchow-Dannenberger äußert sich eindeutig. Als Facebook eine GSD-Seite löschte, weil Nutzer dort gehetzt haben sollen, kommentierte er „scheiss Judenbuch“. Er schreibt außerdem: „Wir stehen nicht für gesteuerte und noch weniger für zionistische Bewegungen“. Auch nahm er in der Vergangenheit mehrfach an Demonstrationen rechtsextremer und neonazistischer Gruppierungen teil, heißt es im Blog „Störungsmelder“ auf Zeit-online.
Spricht man Menschen aus der Region auf den Mann an, ist viel Verunsicherung spürbar. Negativ aufgefallen sei er bisher nie, er agitiere nicht, äußere sich nicht politisch. Viele Menschen aus dem Ort möchten nicht in einen drohenden Konflikt hineingezogen werden, wollen keine Spaltung des Dorfes. Der Mann selbst hat nach dem Outing sein Haus mit Kameras ausgestattet. Die EJZ sprach mit ihm. Viel sagen wollte er nicht. Nur so viel: Er fühlt sich durch das Schreiben verleumdet und hat die Polizei informiert. Reaktionen habe es ihm gegenüber bisher aber nicht gegeben, niemand habe ihn angesprochen.
Von Benjamin Piel
gefunden: EJZ 26.09.2016