Wenn
jemand kommt und in einem Text zu einer Debatte aufruft, da spitzen wir
immer schon ein wenig die Ohren und ziehen die Köpfe ein – Ob da was
Gutes rauskommt! Wären wir Kaninchen, wir verkröchen uns eine Weile in
unserem Bau, darauf wartend, dass die Debatteninteressierten
vorbeigezogen wären. Und das nicht, weil wir etwas dagegen haben, uns
die Welt aus verschiedenen Perspektiven anzuschauen, oder andere
Ansichten immer nur bedrohlich fänden, oder weil wir etwa glauben, dass
wir einfach schon alles wissen würden, was es zu wissen gibt. Sondern
einfach, weil es manchmal eine richtige Plage ist, was wir uns von so
Debatteninteressierten so anhören müssen. Es scheint sich bei – nennen
wir sie vorerst so – „gewissen Leuten“irgendwie ein Missverständnis
rumgesprochen zu haben, dass wir zu Beginn einer Debatte gern gedemütigt
und heruntergemacht werden wollen, dass wir dann besser zuhören und
offener sind für Argumente und so fort. Und so beginnen dann diese
debatteninteressierten „gewissen Leute“ ersteinmal damit, einige Dinge,
die ihnen ein gewisses Unbehagen bereiten, schlecht zu machen. In dem
Text „vive la militance“, da geht es auch direkt damit los, wenngleich
als Frage getarnt: „“Warum die viel beschworene linke Szene dieser Stadt
zu all diesen Vorgängen weitestgehend schweigt und es zulässt, dass die
politische Wahrnehmung und Debatte von Gruppen bestimmt wird, denen
außer zwischen brachial-schwülstiger und zutiefst menschenverachtender
Rhetorik changierender Pamphlete nichts einfällt“? Und es geht weiter
mit „die linke Szene in dieser Stadt hat sich weitestgehend in die
Versenkung verabschiedet.“, „Wenn eine Mitarbeiterin eines relativ
kleinen Immobilienunternehmens in ihrem privaten Rückzugsraum aufgesucht
und geschlagen wird, ist das nicht nur blöd, sondern auch feige. Und es
ist nicht vermittelbar.“, „Wer Cops zu Silvester so heftig angreift und
Menschen, die scheinbar nichts anderes wert sind als „Artillerie“ zu
sein, verheizt, der hat das Maß verloren. Jedes Wort von „Solidarität“,
das diese Akteure aufschreiben, ist nichts anderes als pupertäres
Gewichse.“, „Nebenbei bringen diese Akte Menschen in Gefahr. Nicht
Immobilienhaie, nicht Cops, sondern die eigenen Genoss*innen.“, „So
wichtig die Pflege und Verteidigung von solidarischen Kiezen ist, so
trübe ist es seine Politik darauf und in diese zu verlegen, sich dabei
gleichzeitig als Legislative, Judikative und Exekutive zu gebärden
(„Kiezmiliz“: „Unser Kiez, unsere Regeln“) und all die anonym mit
Steinen o.a. heimzusuchen, die habituell oder in ihrem Tun nicht diesen
geheimen Regelkatalog entsprechen.“, um nur einen Teil zu zitieren. Das
ist ja alles gar nicht so richtig nett, sagen wir mal, und da stellt
sich ja die Frage, an wen sich der „Aufruf zur Debatte“ denn da richtet.
Werden am Anfang noch sehr viele beschimpft, also die ganze radikale
Linke in Leipzig, da fokussieren sich diese „gewissen Leute“ in der
Folge doch immer mehr auf einen bestimmten Teil dieser radikalen Linken,
sofern er denn überhaupt noch dazugerechnet wird, und irgendwie sind
diese Tunichtgute dann schon raus aus der Debatte. Das wird sehr klar
gesagt: Die Verfasser:innen wünschen sich, „dass eine breite Diskussion
in der linksradikalen Szene begonnen wird, die Solidarität nicht mit
Füßen tritt, wie es kleine Gruppen von hasserfüllten
Indymedia-Schreiber*innen gerade tun.“
Wir wollen da diesen
„gewissen Leuten“ kein Unrecht tun, aber es scheint uns doch so, dass da
eine Gruppe begrifflich umschrieben wird: Die „Hasserfüllte
Indymedia-Schreiber*innen“, sind die gleichen, die durch die Angriffe
auf Cops Genoss:innen in Gefahr bringen, sind die gleichen „Pubertären
Wichser:innen“, etc. Und so richtig, müssen wir feststellen, ist da nur
sehr wenig Interesse zu erkennen, wirklich zu debattieren. Es geht also
eher um ein Gespräch zwischen guten Leuten, und wie diese guten Leute zu
erkennen sind, dass lesen wir im Text auch, es sind Leute, die „[…]
eine freie Gesellschaft basisdemokratisch gestalten und verwalten.
Immobilienfirmen […] enteignen, in gemeinwohlorientierte kollektive
Strukturen […] überführen, Häuser […] besetzen und parallel
Nachbarschaften […] organisieren.“ Und wenn das schon nicht für alle
gilt, so doch mindestens für diese „gewissen Leute“, die all diese guten
Dinge bereits tun. Es scheint auch so zu sein, dass diese „gewissen
Leute“ auch einen besseren Blick auf das Thema haben, worüber sie sich
so aufregen. Nämlich auf Militanz: „Linksradikale Kämpfe sollten klug,
einbindend und Militanz in ihnen ein Mittel zu Durchsetzung von Zielen
und kein Selbstzweck sein“. Die anderen, die, ja wenn wir die
Verfasser:innen des Textes gut verstanden haben, die machen das mit der
Militanz verkehrt, weil sie „in klandestinen Zirkeln hängen und jede*n
der*die mit tun will, einer eingehenden Sicherheitsüberprüfung
unterziehen“ und „Eine geschlossene Parallelwelt aufbauen“ und glauben,
dass sei eine „Strategie, die zur gesellschaftlichen Umwälzung führt“.
Kann denn das richtig sein? Die Autor:innen von „vive le militance“
sagen: „Nein.“ Allerdings haben die Autonomen, die nun auch in einen
gewissen Zusammenhang mit diesen nichtsnutzigen Falschmacher:innen
gebracht werden, erst kürzlich damit angefangen, alles verkehrt zu
machen, weil früher war es besser, weil „Früher ging es einer autonomen
Linken darum Aktionen zu machen, mit denen Menschen, die nicht in der
eigenen Blase schwimmen, erreicht werden können“.
Wer so über andere
sprechen kann, der ist wohl wirklich ein ganz besonderer Mensch bereits
geworden. Der steht nicht mehr unten beim Gelumpe, sondern der schaut
von oben auf das Gelumpe herab und kübelt Schimpf und Schande aus und
ruft dabei noch herab: „Das ist alles bloß ein Aufruf zur Debatte!“
Das
kann glauben, wer will. Wer so etwas einen „Aufruf zur Debatte“ nennt,
der braucht sich nicht zu wundern, wenn nun eigentlich niemand in diese
Debatte einsteigen will, außer natürlich jenen, die sich ebenfalls schon
gedanklich an jenem Ort befinden, von dem aus man den Abschaum mit
Scheiße bewerfen darf. Und das wirkt ja doch viel eher, wie der Versuch,
jemanden zum Schweigen zu bringen und diesen jemand noch darüber
hinwegzutäuschen, indem das Gegenteil gesagt wird, indem behauptet wird,
es ginge darum, eine gemeinsame Strategie angesichts vieler Probleme zu
finden. Aber wir haben uns mit der Zeit daran gewöhnt, dass diese
„gewissen Leute“ sich ziemlich viel auf sich einbilden und wir sind es
auch gewöhnt, dass wir im Gegensatz zu ihnen keinerlei Strategien
besitzen und Gespräche mit uns darüber relativ sinnlos sind und daher
von ihnen mit Scheiße beworfen werden dürfen und weil wir ja ohnehin
solch runtergekommene Gestalten sind, macht uns das nicht mehr so viel
aus. Wir wollen uns daher einfach selbst dazu äußern und vielleicht ein
paar Hintergründe aufhellen, denn so ganz offensichtlich ist es ja gar
nicht, wieso denn so etwas verfasst und veröffentlicht wird. Damit
wollen wir nicht die ganze radikale Linke in Leipzig und anderswo
belehren und haben weder großartig die Geschichte noch das Wissen
darüber, wie das mit der Veränderung der Welt hin zum Guten geht zu
bieten und wie sollte es auch anders sein, wir sprechen da nur für uns
und können auch keinem garantieren, dass es mehr ist als das oben so
angefeindete pubertäre Gewichse. Vielleicht ist ja jemand dabei, der
damit etwas anfangen kann.
# Theorie-Hegemonie-Praxis-Debatte
Was uns immer
wieder auffällt, und da ist der Text „vive la militance“ gar keine
Ausnahme, dass es in der Linken einige Menschen gibt, die denken, es
müsste alles zuende ausdiskutiert werden, und wenn sich alle einig sind,
dann geht es los. Und diese „Debatte“ darüber, wie es denn ist und was
alle so sehen müssen, damit es losgeht, die wird zwar gesagt, ist frei,
aber sie ist dann doch nicht so ganz frei. Denn die Leute, die diese
„Debatte“ führen wollen, die wissen im Grunde genommen schon immer, was
das Ergebnis der Debatte ist: Wirklich voran gehen kann es nur, wenn
alle es so sehen, wie diese Leute es sehen. Und diese Debatte läuft also
besonders dann gut, wenn die Debattierenden eigentlich nur so eine Art
Zustimmungsorchester sind.
Dahinter steckt ein bestimmter
Grundgedanke, nämlich, dass aus einer gleichen Betrachtung der Probleme
auch eine gleiche Vorstellung von einer Praxis herauskommt und dass dann
diese Praxis die richtige ist zur Lösung vieler Probleme. Und wenn
jemand eine ganz andere Praxis wählt, nun, dann hat er es einfach auf
der Theorieebene noch nicht richtig verstanden. Und dieser Grundgedanke,
der kommt dann her von einer bestimmten Erfahrung und zwar der
Erfahrung, dass ich mir zwar alleine ganz viel vorstellen kann, wie das
läuft mit der Weltveränderung, ich dann aber feststelle, dass ich das ja
alleine gar nicht umsetzen kann, da kommt dann schon der Gedanke daher,
dass ich „mehr-werden“ muss, also andere Menschen von meinen
Vorstellungen überzeugen muss. Soweit so gut, es kann ja sogar gelingen,
und dann fange ich das an und überzeuge ein paar Menschen und sie sehen
es nun wie ich selbst und da kann ich ja jetzt etwas machen, etwas
Praktisches und da baue ich also irgendetwas auf. Nehmen wir mal das
Beispiel „Kampf gegen zu hohe Mieten“. Da denke ich mir also, es ist
nicht gut mit den Mieten und dass sich das viele nicht leisten können,
da spreche ich mit Leuten und sie finden es auch nicht gut, und dann
machen wir eine Stadtteilversammlung, wo wir mit ein paar Mieter:innen
zusammensitzen und dann beschließen wir dort schon, dass wir nun als
nächstes eine Protestaktion machen und wollen etwa vor das Büro eines
Mietganoven ziehen und ihm ein paar Leute zeigen, denen es schon übel
geht wegen ihm und außerdem noch ein paar sehr wütende Leute, damit er
sich ein klein wenig erschreckt und dann noch ein paar ganz hippe und
moderne Leute, damit er sich selbst ganz und gar unmodern und
ausgeschlossen fühlt usw. Wir sehen also, es ist schon sehr viel Arbeit,
bis es losgehen kann, aber irgendwann haben wir eine richtig schöne
Choreografie aufgebaut, und ein Bild von der Aktion gemacht und
vielleicht haben sich sogar noch zwei Leute verliebt im gemeinsamen
Arrangieren und der große Tag ist da. Und die Mobilisierung im Viertel
hat sehr gut funktioniert und es kommen auch welche, die waren vorher
nicht da, da sind sie schon, sie sind nicht übel dran, sie sind nicht
wütend, sie sind nicht hipp, sondern sie schmeißen plötzlich mit Steinen
ein paar Fenster ein und dann rennen sie weg und niemand weiß, wer es
war, außer natürlich ganz grob, es waren verdammte Autonome. Und da sind
die anderen, die die ganze Arbeit hatten, empört und verärgert, denn da
kommt die Polizei und fängt ein paar, und die vorher aus dem Viertel
gekommen waren, sie wollen nicht mehr kommen und alles ist hin und jetzt
muss erstmal eine neue Idee her. Und der Mietganove lacht.
Ja also
wir können verstehen, wieso diese Leute dann verärgert sind. Sie finden
das nicht richtig, dass es welche gab, die sich vorher nicht beteiligt
haben an den Gesprächen und Überlegungen, die nicht zu den Treffen
gekommen sind, die sich eigentlich im Grunde genommen gar nicht
engagiert haben und dann am Ende haben sie alles kaputt gemacht und ein
wenig Angst haben sie einem auch noch bereitet und die Repression und
alles. Und dann wird überlegt und heraus kommt die Vorstellung, dass
dies daher kommt, weil die Autonomen, sie sehen die Sache einfach
falsch. Das ist das Problem. Sie sehen die Sache falsch, weil wenn sie
die Sache richtig sehen würden, dann wären sie ja zu den Treffen
gekommen. Oder sie wären dann nicht zur Protestaktion gekommen und
hätten die Steine geworfen. Oder sie hätten sich dabei
verantwortungsvoller verhalten. Und dergleichen mehr. Und dann kommt
jemand und er hat die Zeitung gelesen und er erfährt: Die Autonomen
bekommen die Schlagzeilen und alle schimpfen über sie und hassen alles,
was sie machen. Und eigentlich wollten die Leute, die alles so schön
geplant hatten, auch in die Zeitung, sie hatten alles vorbereitet und
wollten ihre Themen verbreiten und nicht nur das, sie wollten sie gut
oder fast professionell verbreiten, mit Pressesprecher:in, mit Medien,
mit Choreo. Und ja nicht für sich, sondern ja für die Leute, die unter
ihren hohen Miete leiden. Da ärgern sie sich zum zweiten Mal. Denn jetzt
berichtet die Zeitung über die Autonomen und der Mietganove wird zum
Opfer und alle zeigen Mitleid. Und weil die Autonomen keine Pressestelle
unterhalten, da ruft auch noch Hinz und Kunz bei den anderen Leuten an
und fragt sie, warum habt ihr das gemacht und sie müssen immer sagen wir
waren es nicht. Dann aber kommt ein Text und er ist eine
Unverschämtheit, weil darin sich die Autonomen noch erdreisten zu sagen,
es solle sich nicht distanziert werden. Und sie finden, es war eine
sehr gute Aktion und sie freuen sich. Und in Wirklichkeit liegt alles in
Scherben.
Wir hoffen, dass wir es damit gut dargestellt haben, was
die Erfahrung ist, die hinter dem oben erwähnten Grundgedanken steht und
wir können ja sagen, es ist doch gar nicht so unverständlich. In den
aktuellen Geschehnissen scheint es dann auch nicht mehr einen solch
konkreten Anlass geben zu müssen, sondern da vermengen sich die
zahlreichen Anlässe und aus diesen Erfahrungen ist so eine gewisse
Grundhaltung geworden, die dann immer wieder angesprochen wird, wenn
halt die, die in den Medien immer als „Linksautonome“ bezeichnet werden,
irgendwelchen schlimmen Unfug machen. Dann tritt ein „das war ja mal
wieder klar und wir kennen es schon von zahlreichen anderen Anlässen“
ins Bewusstsein und weil dann zugleich auch noch die Angst aufkommt,
dass es nun auch noch Leute geben könnte, die dieses Vorgehen dieser
sogenannten „Linksautonomen“ irgendwie gutfinden könnten, oder es eben
ganz unfairerweise einem selbst vorwerfen, obwohl man selbst nicht
dazugehört, da muss nun auch ganz ohne, dass da jetzt zeitgleich eine
eigene Aktion oder ähnliches umgesetzt werden sollte, generalisierend
drauf eingeschimpft werden und die eigene Kritik an sogenannten
„Linksautonomen“ wird generalisiert, also einfach auf alles
verallgemeinert.
Es stellt sich ja nun die Frage, was denn daran
eigentlich so schlimm ist. Also: Wieso stören sich diese „gewissen
Leute“ daran, dass nachts irgendwer einen Bagger in Brand setzt und
danach ein Schreiben verfasst, in welchem sie sich nicht wiederfinden
können, oder was daran so schlimm ist, wenn nach dem hin und her am
Kreuz zu Silvester jemand sagt: „Na es war schon gewissermaßen so, dass
wir die Bullen angegriffen haben, einfach weil wir es wollten.“ (Kurz
von uns so zusammengefasst). Und um das zu verstehen, da muss man sich
eben noch mal ansehen, wer diese „gewissen Leute“ sind, und wo sie ihre
Ideen und Gedanken herhaben.
# Sie nannten sich Heinz Schenk
Es gab ja mal
eine Zeit und die ist noch gar nicht lange her, also sagen wir mal 1992
und oha, das ist nun doch schon eine Weile her, da haben sich die
meisten Leute, die linksradikale Politik jenseits von kommunistischen
Gruppen und Parteien machen wollten, sagen wir häufig den Autonomen
zugewandt. Und das war ja gar nicht unbedingt so, dass da jemand sitzt
und sagt: Ich will radikale linke Politik machen, sondern alle hatten
eben so ihre eigenen Gründe, mit autonomer Politik in Berührung zu
kommen und manchen gefiel es sehr gut.
Aber es gefiel nicht allen
sehr gut, es gab einige, die fanden es mäßig und andere, die fanden es
gleich richtig ätzend, und ein paar von diesen nannten sich irgendwann
„Heinz Schenk“ und dieser Heinz war ein ganz und gar abgehalfteter
Fernsehmoderator, und unter seinem Namen haben sie dann die Heinz Schenk
Debatte angestoßen, wo dann so etwas wie eine Kritik an den Autonomen
formuliert wurde und eben auch an der Politik die sie machen. Und das
wurde sehr, sehr grundsätzlich gesehen, wie dann ein Text, der dann in
dieser darauf folgenden Debatte aufkam, es benannte: „Die Autonomen
machen keine Fehler, sie sind der Fehler!“ und damit, muss man sagen,
scheint ja wirklich alles gesagt zu sein (Man muss dazu sagen, dass wir
daran auch sehen können, dass viele Leute einfach so dahinschreiben und
-reden, ohne sich weiter Gedanken zu machen, wie zB wir ja oben schon
ein wenig haben versucht anzudeuten es auch in dem Text „vive la
militance“ der Fall ist. Viele Leute haben eher so Ideen von einem
lustigen Sprüchlein und weil sie denken, dass ein lustiges Sprüchlein
ihrer Sache dienlich sein kann und die Herzen der Menschen beflügelt,
hauen sie sehr verletzende Dinge raus und dann hoffen sie wie die
modernen Influenzer:innen auf likes, likes, likes).
Aber zum
besseren Verständnis wollen wir auch hier ein paar zentrale Thesen
dieser sogenannten Heinz-Schenk-Debatte benennen: Die Autonomen
ertrinken in Kampagnenpolitik, also reagieren mehr oder weniger nur auf
äußere Großereignisse, die Autonomen leiden an einem Militanzfetisch, es
gibt einen zu großen Fokus auf Antifaarbeit. Das alles sei ein Holzweg,
stattdessen müsse nun ein neuer Weg eingeschlagen werden. Und dieser
neue Weg ist der Weg in die Organisation. So steht es in einem Text der
Heinz Schenk Debatte: „Die autonome Organisationsfeindlichkeit ist eine
Krankheit“. Und diese Organisation, die ist dann eben nicht so blöde wie
die Autonomen, die immer nur gegen das Schweinesystem schimpfen und
gegen die Bullen und Bonzen und so weiter, sondern in der Organisation
wird auch die politische Theorie vorangetrieben, sozusagen die
hintergründige Struktur der Gewaltverhältnisse untersucht und dann geht
sie das Ganze auf dieser Ebene an, also nicht mehr im Rahmen autonomer
Straßenmilitanz, sondern im Rahmen einer sehr viel geschickteren Praxis,
die dann offen ist für alle, denen es im Kapitalismus nicht gefällt:
Der Basisarbeit. Und da sehen wir, dass diese Annahmen über eine gute
Alternative zu autonomer Politik vor 30 Jahren schon die gleichen waren,
wie heute, dass wir also das ganze Klagen über die Autonomen heute uns
genauso anhören müssen, wie ein paar der Genoss:innen in den 90ern. Und
schon damals ist es so gewesen, dass diejenigen, die fanden, dass sie
eine sehr gute Alternative zu den Autonomen gefunden haben, den Eindruck
hatten, nicht bloß eine Alternative zu sein, sondern eine Verbesserung
und eine Weiterentwicklung von irgendetwas Halbgarem und daher heißen
sie Entdecker:innen dieser Verbesserung auch die Postautonomen. Und
heute finden wir sie hauptsächlich in der Interventionalistischen Linken
( IL) und ihren Unterorganisationen (EndeGelände, Unteilbar, etc).
# Die autoritäre Gewalt-Debatte I: Hintergründe
Damals
wie heute hat die von diesen Leuten angestrebte Debatte die gleiche
Figur. Die eigene Politik wird zum einen als höherwertig angesehen, sie
überwindet quasi die Sackgasse, in welche die Autonomen missgeschicklich
hineingeraten waren. Von der Haltung der Autonomem muss sich allerdings
weitergehend abgegrenzt werden und wenn jemand auf die Idee kommt,
irgendwo mit Steinen zu schmeißen, dann kommen gewisse Leute an und
sagen: Nein, nein, dies ist doch grundverkehrt. Und wenn, dann geht es
nur nach diesen und diesen Regeln, Vermittelbarkeit, schlaue Ziele,
usw., wie ja auch im Text „vive la militance“ ausgeführt wird. Und es
ist ja auch gar kein Problem, das die Heinz Schenks von heute und damals
sich an ihrer neuen Sichtweise erfreuen und diese demgegenüber
grundrichtig finden. Aber es scheint ihnen doch zu schaffen zu machen,
dass so, wie sie es sehen, nicht von allen geteilt wird (trotz
#unteilbar, leider) und sogar schlimmer noch, dass es ein paar Menschen
sogar egal ist, was sie dazu denken. Dass also es Leute gibt, die sagen:
„Nun, ihr seht es so und macht es so, viel Erfolg, wir machen weiter
das, was ihr so ablehnt.“ Das können diese Leute scheinbar nicht so gut
ertragen und dann fangen sie an wie die Rohrspatzen zu schimpfen. Das
ist nicht verboten. Aber was uns doch ein wenig traurig macht ist, wenn
jemand daherkommt und eben von oben auf uns einschimpft und uns ganz
schlecht macht und eben sich mit in die Reihe derjenigen gliedert, die
versuchen, einen besonders dumm und schlecht hinzustellen. Denn durch so
etwas bekommt das Verhältnis zueinander doch einen sehr autoritären
Einschlag und es ist doch sehr verwunderlich, dass die Debattierenden
sich auch noch so gut gefallen mit diesem autoritären Einschlag und
alles daran setzen, sich in der Debatte mit ihrer Position
durchzusetzen. Und es stellt sich doch wirklich die Frage, wie das
kommt. Und zwar nicht so sehr, wieso diese Debatte so autoritär und von
oben herab geführt wird, weil das passiert ja nun wirklich sehr häufig
und überall und zu fast allen Themen, weil sich die Menschen angewöhnt
haben, so miteinander umzugehen, sondern vielmehr, wie sich das mit dem
Thema der Debatte verhält, also dem Thema der Gewalt.
Gewalt ist
schlecht. Das ist nun etwas, was fast alle wissen, die schon einmal
Gewalt erleiden mussten. Aber es geht auch noch etwas weiter, also über
diese Erfahrung hinaus und dafür muss jetzt gar niemand wirklich
Erfahrung mit Gewalt gemacht haben, es wird uns auch gesagt, dass Gewalt
schlecht ist. Und zwar nicht nur, dass sie sich für die Menschen
schlecht anfühlt, das wissen ja fast alle, sondern auch, dass es
schlecht ist, sie auszuüben. Gewalt ist schlecht UND sie ist auch
unerwünscht und verboten. Das ist die Weise, wie sehr sehr viele
Menschen hier in der Gegend etwas über Gewalt erfahren. Und das fängt
schon sehr früh an, nämlich in der Kindheit. Da bekommen wir gesagt: Du
sollst die Eltern nicht anbrüllen und du sollst sie nicht schlagen und
du sollst auch die anderen Kinder nicht schlagen und dergleichen, und es
ist eine prinzipielle Sache, weil wir ja als Kinder noch sehr schwach
sind und unsere Angriffe ebenfalls ganz schwach sind und sie eigentlich
kaum eine Rolle spielen, aber wir sollen es halt nicht, so ist das halt.
Und weil wir klein sind und nicht viel wissen, glauben wir natürlich
erstmal alles und dann wachsen wir auf und denken uns: Ja, so ist das
wohl, wenn wir Gewalt ausüben, das gibt nur Ärger, wir dürfen keine
Gewalt ausüben. Und es bleibt gar nicht nur dabei, sondern es geht noch
einen kleinen Schritt weiter, es wird ja auch etwas versprochen: Dass es
möglich ist, die Probleme, die wir haben, auf andere Weise zu klären,
mit Worten. Und dass wenn wir selber den Weg der Worte wählen, die
anderen auch den Weg der Worte wählen und uns kein Leid geschehen möge.
Und falls jemand nicht den Weg der Worte wählt, sondern den Weg der
Gewalt, dass dieser Mensch, der dies tat, dafür büßen wird und wir dafür
nichts zu unternehmen brauchen, wie etwa eine kleine Vergeltung oder
dergleichen, sondern das ein gerechter Mensch, der sich damit auskennt,
diese Sache gerecht beurteilen wird und wir froh sein können, weil die
Welt eine gerechte ist. Und dass wir die gerechten Menschen erkennen
können und zwar daran, dass sie im Vergleich zu uns Erwachsene sind.
Und
unser Leben geht so fort und alles entwickelt sich, aber in ganz vielen
Fällen machen wir da Erfahrungen zu diesem Sachverhalt und zwar die,
dass es zwar sein kann, dass bei unseren Problemen ein gerechtes Urteil
gefällt wird und dass es bisweilen auch gelingt, unsere Interessen auf
dem Weg der Worte zu verfolgen, aber dass es auf der anderen Seite nun
so ist, dass diese gerechten Menschen, die Erwachsenen, gar nicht selbst
bloß friedfertig mit uns umgehen, sondern sie neigen dazu, in für uns
undurchschaubaren Situationen uns gegenüber den Weg der Gewalt
einzuschlagen. Und weil wir uns insgesamt in jungen Jahren noch so wenig
auskennen mit allem, da glauben wir, dass der gerechte Mensch, der uns
schlecht behandelt, dies bloß macht, weil wir selbst wohl einen argen
Fehltritt gemacht haben. Wenn etwa ein Lehrer der Biologie oder
ähnlichem, während wir seinen Unterweisungen in der Schule lauschen, uns
grob anfährt und gemeinerweise zur Schnecke macht, dann denken wir,
unser Verhalten war es wohl, welches ihn zu solchem Handeln reizte und
wir fühlen uns schlecht, weil wir ja eingebläut bekamen, dass dieser ein
Gerechter ist und seine Urteile gerecht sind. Und wir haben keine
Ahnung davon, dass er uns vielleicht nur zur Schnecke macht, weil er von
seinen Kollegen ausgelacht wurde, weil er etwa Soße an der Hose hatte,
oder weil ihm jemand die Vorfahrt genommen hat und er fast einen Unfall
hatte, oder es Zuhause ganz mies läuft, oder dass sein Leben in gewisser
Weise so beschissen verläuft, dass er selbst ein riesen Arschloch
geworden ist und nun selbst die Welt nur noch zukacken kann. Und dann
sind wir eingeschüchtert und verwirrt und wir denken möglicherweise nun
schlecht über uns und denken, dass wir etwas falsch gemacht haben,
obwohl das gar nicht stimmt und wir werden vorsichtig und misstrauisch.
Und
dann werden wir älter und unsere Herzenskraft sinkt, aber unsere
Geisteskraft steigt. Und wir erfahren mehr uns mehr und wir erkennen,
dass es vielleicht doch nicht so ist, dass die Welt wie versprochen eine
gerechte ist und dass diejenigen, die gerechte Urteile versprachen uns
belogen. Und da kommt bei manchen der Gedanke auf, dass es vielleicht in
ganz wenigen Ausnahmefällen doch eventuell erlaubt sein könnte, Gewalt
anzuwenden, aber sie haben dann einen sehr hohen Anspruch daran, also
etwa den, dass alles an dieser Tat zu verstehen ist, weil sie soll ihren
Zweck haben darin, dass sie etwas erläutert. Dass den Menschen an einer
Gewalttat etwas erkennbar wird, was diese Leute, die dann Gewalt
anwenden, selbst schon erkannt haben. Weil es soll niemand Angst
bekommen durch die Gewalt, denn Angst zu verbreiten, dass ist fast das
Gleiche, wie Gewalt anzuwenden. Und das ist dann ihr Anspruch auch im
Späteren an so etwas wie Militanz, wie es dann in dem Text „vive la
militance“ auch gesagt wurde. Militanz und Gewalt dürfen nach den
Verfasser:innen demnach nur Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck sein,
und ein Selbstzweck ist es, wenn jemand etwa Gewalt anwendet, einfach
aus reiner Freude daran. Und das wird einfach mal angenommen, wenn
jemand seine Gründe nicht gut oder zumindest ausreichend gut angibt.
Dass also die Gründe verwerflich waren, und verwerflich waren, dass
heißt, dass sich nicht dem allgemeinen Gedanken entsprachen, dass Gewalt
etwas ist, was wir ablehnen, was wir nicht wünschen, was nicht
stattfinden soll. Weil: Gewalt ist schlecht.
Und wenn nun „gewisse
Leute“ eine Debatte führen wollen über Gewalt, dann wird das alles
bereits vorausgesetzt. Sie gehen davon aus, dass Gewalt schlecht ist und
es etwas ist, dass wir nicht ausüben dürfen und dann im weiteren daher
auch nicht ausüben wollen, nicht nur, weil sie für sich genommen
furchtbar ist, sondern auch, weil sie verboten und unerwünscht ist, wie
es uns das ganze Leben eingetrichtert wurde.
Nun, was sollen wir dazu
sagen. Sicher ist Gewalt schlecht, sie ist furchtbar und es ist
schöner, wenn es keine Gewalt gibt. Aber diesen Zustand, also den, wo es
keine Gewalt mehr gibt, der ist ja noch gar nicht eingetreten. Denn wir
wissen das ja alle aus eigener Erfahrung: Selbst in unseren engsten
Beziehungen, da ist Gewalt ein allgegenwärtiges Problem. Und gar nicht
nur, weil sich dort allzeit geschlagen wird, sondern auch auf eine
Weise, wo es in viele kleine Momente aufgeteilt wird und eigentlich
fühlen wir uns nirgendwo so richtig wohl. Und dann wissen wir das ja
auch auf der großen Ebene, dass dort die Gewalt existiert, vielen wir
etwas weggenommen oder sie bekommen erst gar nichts, und es wird Krieg
geführt und es wird permanent vieles zerstört. Und so ist die Welt eine
gewaltvolle Welt. Wir sind umgeben von Gewalt und in der Regel wird auch
die ganze Zeit Gewalt ausgeübt und in der Regel haben diejenigen, die
die Gewalt ausüben, auch den Eindruck, das Recht dazu zu haben. Und so
können wir diese Betrachtung verallgemeinern: Nur diese dürfen Gewalt
anwenden, welche das Recht dazu haben.
Zu diesem Recht allerdings
muss jemand ersteinmal kommen. Und mit Rechten ist das ja so, die
bekommen wir ja nicht einfach durch einen Wunsch, sondern jemand muss
uns dieses Recht geben, Rechte werden verliehen. Im Endeffekt gibt es so
etwas wie ein Recht ja gar nicht, es muss ja jemand kommen und sagen:
Das und das ist nun Recht und dann müssen die anderen es glauben und
akzeptieren. Und das ist schon sehr lange so und so haben wir etliche
Rechte, zb haben wir Grundrechte im Grundgesetz und wir haben ein
moralisches Recht und wir haben Menschenrechte und so fort. Und in der
Haltung der meisten Menschen, da darf erst jemand zur Gewalt greifen,
wenn irgendein Recht diesen jemand dazu berechtigt. Vorher nicht, da
gilt der allgemeine Ausspruch, das Gewalt verboten ist, weil sie
schlecht ist. Und das bedeutet zu warten. Das bedeutet darauf zu warten,
bis irgendjemand kommt und sagt: „Nun hast du das Recht, Gewalt
anzuwenden“, und bis dahin heißt es warten und die Gewalt erdulden. Nur
selber dürfen wir uns dieses Recht, Gewalt anzuwenden, nicht verleihen.
Und wenn wir es doch tun, dann müssen wir die Sache so gut erklären,
dass im Endeffekt gar nicht wir uns das Recht verliehen haben, sondern
der Sachverhalt, den wir als guten Grund angeben konnten, uns also ein
bestimmter Umstand mit diesem Recht versah. So ist es also so, dass
entweder eine Autorität das Recht zur Gewalt verleihen kann (zb der
Staat kann der Polizei aber auch dem Jobcenter oder einem Bauherren
dieses Recht verleihen) oder die Moral (zb wenn jemand einen schlimmen
Nazi niederstreckt) oder die Sache (wenn etwa ein komplexer Sachverhalt
als Erläuterung zur Verfügung steht). Oder anders gesagt: Es reicht
nicht, sich schlecht behandelt zu fühlen, um Gewalt anzuwenden, wir
müssen auch tatsächlich schlecht behandelt werden. Und erst wenn wir
bewiesenermaßen und allgemein anerkannt sehr, sehr schlecht behandelt
werden, dann dürfen wir uns eventuell gewalttätig dagegen wehren.
Nun
ist es aber so, dass gerade dieser Umstand, also ob wir schlecht
behandelt werden oder nicht, dass dieser Umstand von denen, die einen
schlecht behandeln, verdreht wird und sie ständig und ohne Unterlass auf
uns einreden und sagen: Du wirst nicht schlecht, sondern du wirst sehr
gut behandelt. Und für diese Lüge werden alle möglichen Tricks aus der
psychologischen und medizinischen Erforschung der Menschen angewendet,
bis am Ende eigentlich kaum jemand mehr die Gewalt als Gewalt erkennen
kann und nur noch das als Gewalt erkennen, was offiziell so bezeichnet
wird (So fällt es im Allgemeinen sehr leicht, die Gewalt zu erkennen,
wenn etwa mit Steinen auf Polizisten geworfen wird, es ist aber sehr
schwierig, die Gewalt zu erkennen, die durch die Polizei allein durch
ihre Anwesenheit und Ausrüstung ausgeübt wird. Die Gewalt der Polizei
beginnt für die meisten erst, wenn die Gewalt eine:n Unbeteiligte:n
trifft und selbst dann steht für die meisten noch die Frage im Raum, ob
diese:r sich vielleicht provozierend verhalten haben könnte).
# Die autoritäre Gewalt-Debatte II: Heinz Schenk und die Gewalt
Nun
ist es so, dass die Heinz Schenks gestern und heute dazu eine wie sie
sagen sehr ausgewogene Haltung haben. Sie sagen zum Beispiel, dass ja
nicht der einzelne Polizist das Problem ist, sondern dass die
dahinterliegende Struktur das Problem ist. Dass also nicht die
gewalttätigen Personen Schuld an der Misere sind, sondern die Struktur
in der sie sich bewegen. Und das gilt ja nicht nur für die Polizei,
sondern das gilt auch für die Jobcentermitarbeiter:innen und die
Mietganov:innen und so fort. Und dass es immer um die dahinterliegende
Struktur geht, wenn wir politische Veränderung erreichen wollen. Und zum
anderen sagen sie, dass politischer Aktivismus zwar vordergründig sich
auf ein Thema beziehen kann, wie etwa auf das Thema Klima, es aber im
Hintergrund immer um die Hinführung zum großen Thema Revolution geht.
Also zum Beispiel beteiligt sich jemand an Mietkämpfen, um in Kontakt
mit den unterworfenen Leuten zu kommen, aber in der Fantasie wird aus
der Bewegung gegen Mietkämpfe ein Kampf gegen das ganze System und
dieser Trick funktioniert dann weitergedacht noch so, dass einfach in
alle möglichen Kämpfe interveniert wird und dann eine große
Revolutionäre Masse dadurch zustande kommt, dass alle diese Kämpfe
zusammengeführt werden und dass dann die unterschiedlichen Anliegen zu
einem großen Anliegen verschmelzen, also Arbeitslose treffen
Geflüchtete, treffen Entmietete, treffen Klimaaktivist:innen, treffen
auf streikende Arbeiter:innen, treffen auf alle möglichen und alle sehen
dann zusammen ein, dass ja alle diese Anliegen verschmelzen im Kampf
gegen den großen Feind, den Kapitalismus und so wird er dann
revolutionär überwunden. Und wenn dann dieses geschafft wird, dann bauen
die Sieger:innen der Revolution eine neue Welt auf, die dann keine
strukturelle Gewalt mehr in sich hat und somit auch keine Menschen mehr
Gewalt ausüben können und brauchen. Und mit der Revolution, da ist es
verständlicherweise unklar, die wird gewalttätig oder nicht, aber wenn
überhaupt, so ist der Augenblick für Gewalt eigentlich nur in dieser
revolutionären Phase gekommen und vorher und nachher nicht. Und das
haben sie im weitesten Sinne von Karl Marx abgeschaut, aber der hatte
halt nur den Kapitalismus im Blick und da haben die etwas modernen Leute
noch Rassismus und Sexismus und jetzt auch noch ganz neu das Klima mit
reingenommen, weil daran hat Marx nicht so intensiv gedacht, und deshalb
heißt sein Hauptwerk ja auch „Das Kapital“ und nicht etwa „Das Kapital
und das Patriarchat“ oder „Das Kapital in Zeiten des Klimawandels“ oder
so.
Dieser Ansatz ist ja gar nicht dumm. Aber: Er verschiebt den
Hauptkonflikt auf die Zeit der Revolution und das führt dazu, dass es
gar nicht verkehrt zu sein scheint, im Gegenwärtigen keinen offenen
Konflikt mit dem Staat und seinen Vertreter:innen einzugehen. Und das
kann ganz praktisch sein, wenn zum Beispiel jemand neben der Revolution
noch ein paar eigene Ziele verfolgt (oder ein paar schöne Sachen
besitzt) und diese im Gegenwärtigen nicht gefährden will. Aber zugleich
muss ja auch im Hier und Jetzt hier und da etwas unternommen werden, um
in den „sozialen Kämpfen“, wie sie genannt werden, also gegen zu hohe
Mieten und so fort, eine wichtige Rolle zu spielen und die verirrten
Schäfchen sozusagen auf den Pfad der sozialen Revolution zu führen. Und
eine solche Unternehmung kann dann doch einen Konflikt mit dem Staat und
seinen Vertreter:innen mit sich bringen und dadurch könnten ja die
eigenen Ziele behindert werden, weil es möglicherweise Ärger gibt. Und
da haben sich die Schenks aber einen Trick ausgedacht und zwar haben sie
den aus dem Wissen, wie Menschen beeinflusst werden können, also aus
der Werbung. Sie haben nämlich die Idee gehabt, dass sie sich beim
Konflikt mit dem Staat ja einen lustigen Hut aufsetzen können und
dergleichen, und dann wirkt es schon alles ganz und gar ungefährlich,
oder dass sie sich irgendwie anders in Schale schmeißen, in weiß
kleiden, also der Farbe des Friedens, oder mit bunten Perücken und Fäden
oder mit Badetieren oder so. Und dass sie, wenn denn die Staatsmacht in
Form der Bullerei kommt, gar nichts anderes machen, als an ihr
vorbeizulaufen. Und wenn sie dann jemanden, wie zum Beispiel einen
Mietganoven, schlecht machen wollen, dann versuchen sie einfach empört
einen Shitstorm loszufurzen. Und weil sie im Grunde genommen so tun, als
würden sie nichts anderes als ein sozial erwünschtes Verhalten zeigen,
verleihen sie sich den Schein moralischer Überlegenheit, und damit
wiederum rechtfertigen sie es dann, wenn sie hier und da mal ein Gesetz
übertreten müssen („Was wir machen ist nicht legal, aber legitim“). Und
das funktioniert in der Regel sehr gut, und so lassen sich viele
Vorteile behalten, obwohl jemand politisch aktiv ist (Interessant ist,
dass diese Vorteile gar als Motive für das politische Handeln angegeben
werden und zwar als „reflektierte Privilegien“). Aber es funktioniert
eben nur in der Regel gut, weil: Es gibt ja auch noch die, welche nur
Scherereien machen, die Autonomen und Anarchist:innen und Chaot:innen im
Allgemeinen, sie sammeln sich in einem schwarzen Block und randalieren
(obwohl das ja wirklich sehr selten vorkommt ), und sie streifen des
Nachts um die Häuser mit Feuerzeugen. Und vielleicht wäre das auch gar
kein Problem, wenn, ja wenn nicht die für diese Leute die öffentliche
Meinung so wichtig wäre, die sie durch ihre Werbestrategien und
-techniken beeinflussen wollen, damit keiner mehr scheu vor ihnen ist.
Sie wollen ja nicht, dass über sie schlecht gedacht wird, oder einfach
nur gedacht wird, sondern das gut über sie gedacht wird, damit
irgendwann in der Zukunft das mit der Revolution klappt. Aber für die
Menschen in der Öffentlichkeit, da ist es sehr schwer, zwischen solchen
progressiven Postautonomen und aggressiven Autonomen zu unterscheiden.
In der Öffentlichkeit denken sie: Ja einmal kommen sie in weiß und mit
Gummitieren und sind progressiv und einmal kommen sie in schwarz und mit
Steinen und sind aggressiv, aber es sind die Gleichen. Und das macht
den sogenannten Schenks natürlich das Leben schwer, weil dann ihr Plan
gar nicht aufgehen will. Und so sagen sie in Richtung Öffentlichkeit:
Wir waren es nicht! Und so sagen sie in Richtung der Chaot:innen: Gewalt
ja, aber erst zum richtigen Zeitpunkt oder sehr, sehr klug erklärt. Und
weil das nicht passiert, da sagen sie: Die Chaot:innen haben zwar die
richtigen Grundgedanken wie wir, aber sie machen alles verkehrt. Und
deswegen versuchen die Schenks, diejenigen einzuschüchtern, die es eben
verkehrt machen. Und das ist die Weise, wie sie versuchen, ihre
Interessen zu regeln und das zu sichern, was sie sich erarbeiten, und
das ist ja auch sehr gut zu verstehen.
# Over and Out
Jetzt haben wir uns wohl sehr
ausschweifend geäußert und das Maul sehr voll genommen, und zugleich
noch eine ganze Reihe von Sachen unterschlagen, aber so passiert es uns
manchmal. Und irgendwie ist es ja klar, dass wir das, was und wie wir es
oben beschrieben haben, anders sehen als diese „gewissen Leute“ und es
stellt sich ja die Frage, was wir nun dazu zu sagen haben,
beziehungsweise, wer soviel über andere redet, der kann ja wohl
gefälligst auch mal etwas über sich sagen. Aber dazu haben wir gerade
gar keine Lust, beziehungsweise sind wir dazu ja gar nicht in der Lage.
Es muss daher weiter so bleiben, dass andere sagen wer wir sind und was
wir falsch machen und was wir stattdessen machen sollen und es wird dann
aber weiterhin nicht passieren und es können sich weiterhin alle über
uns aufregen, die besseres nicht zu tun und haben und auch sonst keine
Freude an uns finden. Wir hüllen uns lieber in Schweigen und wenn jemand
fragt: Was ist hinter diesem Schweigen? Dann sagen wir bloß: Ach
nichts. Und setzen unser schönsten Schurk:innenlächeln auf.
Bis bald.