PM zum Stadtspaziergang in Salzwedel

Pressemitteilung zum „antifaschistischen Stadtspaziergang“ in Salzwedel
Richtigstellung von Aktivist*innen aus dem Umfeld des AZ Kim Hubert: bunter Spaziergang mit Musik, statt „zwei Stunden Anarchie“

Am Mittwoch, den 16.05.2018, fand in Salzwedel ein antifaschistischer Stadtspaziergang statt, der in den letzten Tagen in der Presse und in der Stadt große Aufmerksamkeit fand. Wir Aktivist*innen wollen hierzu Stellung nehmen, da die Berichterstattung teilweise falsch war.

Aktionsidee:

In Salzwedel gibt es seit geraumer Zeit ein massives Problem mit Neonazis. Es werden immer wieder Antifaschist*innen und alternative Jugendliche bedroht, angegriffen und bis zu ihren Wohnorten verfolgt. Auch gibt es immer wieder Attacken auf das AZ mit Farbe und verbotener Pyrotechnik. Das wurde immer wieder thematisiert und uns liegen mehrere Berichte von Betroffenen vor. [1]

Ziel dieses Spaziergangs war es, die Nazis in ihren Rückzugsorten aus der Anonymität zu holen und die Nachbarschaft auf sie hinzuweisen. Dazu zählt bspw. der erste Stopp – der Wohnort eines Neonazis, der als Treff- und Organisationspunkt der Szene dient. Auch an den weiteren geplanten Stationen trifft sich die rechte Szene: Dazu zählt die Body Factory (Fitnessstudio) und das AfD-Büro. Auf die Verbindungen des AfD Kreisverbandes Altmark West zu Salzwedeler Neonazis gehen wir unten genauer ein.

Idee des Spaziergangs war es, mit Live-Musik auf die Situation in Salzwedel aufmerksam zu machen und die entsprechenden Treffpunkte der Nazis aufzusuchen und dort Nachbarschaft und Passant*innen mit musikalischer Untermalung aufzuklären. Unterstützt wurde die Aktion durch ein paar Straßenmusiker*innen. Das Konzept war darauf ausgelegt, den immer massiveren Angriffen durch die rechte Szene in einer friedlichen und kreativen Art und Weise entgegenzuwirken und Salzwedeler Bürger*innen zu erreichen. (Sachbeschädigungen gehörten dabei selbstverständlich nicht zur Aktionsidee.) Der Spaziergang war öffentlich beworben und auch die Presse war eingeladen. Die Aktion war also entgegen der Behauptung des Artikels der Altmark-Zeitung nichts Geheimes.

Tatsächlicher Verlauf der Aktion:

In einer großen, bunten Gruppe mit über 120 Personen, teils mit Kindern und den Musiker*innen, ist der Spaziergang um 17 Uhr am Autonomen Zentrum Kim Hubert gestartet. [2] Teils sitzend und mit Musikinstrumenten wurde vor der Wohnung eines wegen Körperverletzung verurteilten Neonazis und AfD Mitglieds gesungen und demonstriert. [3]

Auf dem Weg zum nächsten Versammlungsort kam es in der St-Georg-Straße leider zu einer Konfrontation mit einem unorganisierten Rechten aus Salzwedel, als dieser mit seinem Auto auf unseren Spaziergang traf. Zunächst fuhr er demonstrativ mit hoher Geschwindigkeit auf die Menschenmenge zu, allerdings nicht in die Menge hinein. Dennoch sahen sich einige Teilnehmer*innen dazu gezwungen, beiseite zu springen. Nachdem ein Großteil der Spaziergänger*innen am Auto vorbeigezogen war, fuhr der Rechte mit hoher Geschwindigkeit los und griff dabei ein Transparent der Demonstrierenden und gab Gas in der Menschenmenge. Einer der Träger des Transparents, dessen Hand in einer Schlaufe steckte, wurde dadurch mit dem Auto ca. 50m auf der Heckscheibe mitgeschliffen. Als der rechte Raser wegen eines entgegenkommenden Autos bremsen musste, stürzte der Mitgeschliffene zu Boden, wobei er sich Verletzungen am Bein zuzog. Daraufhin kam es von einzelnen aufgebrachten Menschen aus der Versammlung zu den genannten Sachbeschädigungen an dem Auto. Eine Videosequenz beweist den Verlauf der Situation. [4] Entscheidend für uns ist, dass die Person im Auto einen neonazistischen Hintergrund hat, weswegen wir den Vorfall und das Verhalten des Fahrers als rechten Angriff auf den Spaziergang werten. [5] Entgegen der Berichterstattung einiger Medien liegen uns gesicherte Informationen vor, dass der Neonazi, welcher in den Demozug gefahren ist, weder den Hells Angels noch deren Umfeld zuzurechnen ist. Auch haben wir nie die Behauptung aufgestellt, dass die Person bei den Hells Angels sei.

An dieser Stelle sein noch mal betont: Gewaltsame Konfrontationen mit Personen der rechten Szene gehörten nicht zum Konzept der Veranstaltung.

Trotz dieses gefährlichen Zwischenfalls ließen sich die Spaziergänger*innen aber nicht entmutigen und die Aktion konnte trotz angespannter Stimmung weiter fortgesetzt werden. Nach einem Stopp vor einer weiteren Wohnung eines rechten, AfD-nahen Aktivisten in der Goethestraße ging es weiter zum AfD-Wahlkreisbüro. Dem AfD-Kreisvorsitzenden Sebastian Koch ist ebenfalls eine Verbindung in die neonazistische Szene vorzuwerfen. Zahlreiche Fotos belegen seinen politischen Hintergrund. [6] Auch die Volksstimme berichtete bereits über die Verstrickungen des Kreisverbandsvorsitzenden. [7]

Bedrohung von zwei Journalisten und falsche Berichterstattung in der Altmarkzeitung

Wie wir lesen mussten, wurden während des Spaziergangs zwei Journalisten der Altmarkzeitung bedroht. Das ist politisch nicht in unserem Sinne, wenn Einzelpersonen so agieren. Eine Einschränkung der Pressefreiheit durch Bedrohung oder gar Angriffe auf Journalist*innen war und ist weder gewollt noch beabsichtigt. Es sollte auf das Naziproblem in Salzwedel aufmerksam machen und nicht die Presse bei der Arbeit behindern. Als Teilnehmer*innen entschuldigen wir uns bei den betroffenen Journalisten, verursacht von einigen wenigen.

Wir üben aber auch Kritik an der Berichterstattung der Altmark-Zeitung: Das Bild was in dem Artikel „Zwei Stunden lang Anarchie: Unangemeldete Linken-Demo in Salzwedel“ gezeichnet wird, ist nicht zutreffend, stark tendenziös, journalistisch inakzeptabel und geht am tatsächlichen Verlauf des Nachmittags völlig vorbei.

Wir wehren uns gegen die Darstellung durch die Altmarkzeitung in der über 100 Personen samt Straßenmusiker*innen, pauschal verunglimpft und in eine kriminelle Ecke gerückt werden. Trotz des massiven Zwischenfalls mit dem Neonazi im Auto samt einem verletzten Teilnehmer ist der allergrößte Teil an dem Nachmittag ruhig und besonnen geblieben. Das Bild eines durch die Stadt randalierenden Mobs und „zwei Stunden Anarchie“ ist absolut unzutreffend. Das sollte auch die Polizei bestätigen können, die nach unserer Wahrnehmung den Spaziergang in Zivil beobachtet hat.
Hintergrundinformationen:

Anbei finden Sie ein Screenshot des Videos und die weitere Belege wie z.B. für Naziaktivitäten und Verbindungen von AfD-Kreisverbandsmitgliedern zu rechten Szene. Gerne können wir zu den zahlreichen rechten Vorkommnissen und Angriffen durch die rechte Szene noch mehr berichten. Bei Interesse mailen Sie uns unter: pressesaw@riseup.net
Belege:

[1] vgl. u.a.: https://www.volksstimme.de/lokal/salzwedel/urteil-zwei-jahre-haft-fuer-nazi-schlaeger

[2] Bilder vom Stadtspaziergang und der Kundgebung vor dem Haus von Marvin J.