by Lüchow. An der Capio Elbe-Jeetzel-Klinik sind Schwangerschaftsabbrüche wieder möglich – Propst Stephan Wichert-von Holten und Barbara Heinelt, die in der Sozialberatung des Diakonischen Werkes auch Frauen in Konfliktsituationen berät, sind erleichtert. „Das hiesige Krankenhaus war und ist ein guter Ort für Frauen in dieser Situation, weil sie dort auf Ärzte treffen, bei denen sie möglicherweise schon ihre älteren Kinder auf die Welt gebracht haben“, sagt der Propst. Eine solche Nähe sei eine Errungenschaft und ein Vertrauensgewinn.
Dass der Gynäkologie-Chefarzt mit Hinweis auf seinen christlichen Glauben Abtreibungen in seiner Abteilung untersagt hatte, haben Wichert-von Holten und Heinelt in Gänze erst aus dem EJZ-Artikel vom vergangenen Sonnabend erfahren. Nur wenige Tage vorher war Heinelt vom Sekretariat des Chefarztes telefonisch informiert worden, dass definitiv keine Abbrüche mehr stattfinden würden. Einige Wochen vorher war eine Terminabsprache für eine Frau mit der Klinik nicht zustande gekommen. „Wir hätten uns schon über einen Brief gefreut, in dem die Entscheidung bekannt gemacht und Bereitschaft signalisiert worden wäre, die Folgen zu besprechen und Alternativen aufzuzeigen“, kommentiert der Propst dieses Vorgehen. Denn während der Chefarzt seine niedergelassenen Kolleginnen besuchte, hatte er die kirchliche Beratungsstelle offensichtlich gemieden.
Die Zusammenarbeit mit der Elbe-Jeetzel-Klinik war bis zum Chefarzt-Wechsel sehr gut, sagt Heinelt. „Man konnte sich darauf verlassen, dass die Frauen dort gut aufgehoben und die Ärzte wachsam waren, dass die Frauen auch wirklich entschieden waren, die Schwangerschaft abzubrechen.“ Sie hofft, dass es wieder so sein wird. Die Beratungsstelle des Diakonischen Werkes im Landkreis ist eine von 68 in der Landeskirche. Barbara Heinelt und ihre Kollegin haben im vergangenen Jahr 40 Frauen beraten, die ihre Schwangerschaft abbrechen wollten. Ob das am Ende auch alle dann taten – ob in Dannenberg oder woanders -, kann Heinelt nicht sagen. Es passiere durchaus, dass Frauen den Termin im Krankenhaus kurzfristig absagten oder dass andere, denen sie einen Beratungsschein ausgestellt hatte, sechs Monate später eine Beihilfe für die Baby-Erstausstattung beantragten.
Die Beratungsstelle muss eine anonyme Statistik für das Land führen. Und aus der geht für 2016 hervor, dass der größte Teil der Frauen zwischen 27 und 39 Jahren alt war, nur sehr wenige waren unter 18. Zwei Drittel der Frauen hatten mit Pille oder Spirale verhütet, gut zehn Prozent hatten nicht verhütet, die anderen auf die natürliche, sprich rechnerische Methode, gesetzt. Nicht nur deshalb haben sowohl Heinelt als auch den Propst die Äußerungen des Chefarztes über die abtreibungswilligen Frauen einigermaßen entsetzt: „Was für ein Frauenbild steckt dahinter?“ Abbrüche nach der Beratungsregelung seien gesetzlich gewollt, betont Wichert-von Holten, dass das so ist, sei von den Frauen einst „errungen“ worden, ergänzt Heinelt. „Ohne Respekt geht es nicht“, stellen beide klar.
Die Schwangerschaftskonfliktberatung ist eine ergebnisoffene Beratung. Als Beraterin gebe sie keinen Ratschlag, sondern unterstütze die Frauen dabei, für sich eine Entscheidung für oder gegen ein Kind zu finden, mit der sie leben können. Um diese Entscheidung zu finden, müssten die Frauen alles sagen können, was ihnen auf der Seele liege, betont Heinelt. Was beschäftigt sie? Was muss sie für sich klar kriegen? Beziehungsprobleme, Überforderung, Ausbildung, finanzielle Unsicherheit: Es sei oft ein Zusammenspiel verschiedener Gründe, die Frauen dazu bringe, eine Schwangerschaft abbrechen zu lassen. Heinelt sieht sich als „Geburtshelferin für die Entscheidung“.
Dogmatische Haltungen würden bei diesem Thema nicht helfen, meint der Propst. „Ein Glaube, der andere einschüchtert, der auf andere einen beeinflussenden Charakter hat“, biete keine Lösung. Es gelte, eine Balance zu finden. Was erlaubt sei, sei nicht per se gut: „Deshalb ist die Verantwortung so groß.“ Er beschreibt Kirche als „eine große Suchmannschaft, die Orientierung geben will, damit die Menschen laufen können“. Und eines wundert ihn sehr: Ärzte seien doch eigentlich konzilerprobt, geübt darin, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Dass bei dem Thema Abtreibung auf diesen konziliaren Prozess verzichtet worden sei – „das hat mich am meisten betroffen“.
gefunden ejz vom 11.2.17