Platenlaase. Es ging unter die Haut, es war anstrengend. „Ich weiß, dass ich meinen Zuschauerinnen sehr viel zumute“, erklärte Schauspielerin Beate Albrecht den ausnahmslos weiblichen Gästen am Sonnabend im Café Grenzbereiche in Platenlaase. Es habe schon Vorstellungen gegeben, bei denen die Gäste ihr Stück nicht ausgehalten hätten, kommentierte Albrecht weiter. Sie spielte das selbst geschriebene und inszenierte Stück „Jenseits vom Tag“. Sein Thema: sexueller Missbrauch und die Folgen.
In Platenlaase hielten es alle aus. Und Beate Albrecht erntete nicht nur viel Applaus, sondern auch und vor allem großen Respekt für ihre einstündige Ein-Frau-Vorstellung. Die hat es in sich: Albrecht spielt eine Reporterin, die nach einer gelungenen Reportage eine Serie für das Fernsehen drehen soll. Darin geht es um multiple Persönlichkeiten. Viele Menschen, die in der Kindheit sexuelle Missbrauchserlebnisse hatten, spalten ihre Persönlichkeit auf. „Das ist wie eine Schutzfunktion, um zu überleben“, erklärte Albrecht im Anschluss.
Im Rahmen ihrer Arbeit verliert sich die Reporterin Franziska Nielsen selbst in ihren eigenen Kindheitserlebnissen und kommuniziert mit ihrer eigenen anderen „Persönlichkeit“, die Nielsen selbst nur als „die Frau“ bezeichnet. Vielschichtig, anrührend und überzeugend spielte Beate Albrecht die emotionalen Höhen und Tiefen sowie die schrecklichen Erlebnisse der zutiefst verletzten Reporterin. „Das Stück habe ich vor 20 Jahren geschrieben und dabei angefangen, mich an meine eigene Kindheit zu erinnern. Ich war selbst ein Opfer, wollte mich aber nicht erinnern. Das ist wie ein Schutz, erklärte Beate Albrecht sehr offen und unumwunden.
Das beeindruckende und mehrfach ausgezeichnete Theaterstück gehört zu einer Reihe von Veranstaltungen unter dem Titel „Gewaltige Wochen“ in Platenlaase im Vorfeld des internationalen Frauentages am 8. März. Der Schwerpunkt der Reihe, in deren Programm das Theaterstück und das anschließende Fest etwa in der Mitte stehen und die vom Kulturverein Platenlaase sowie von der Beratungsstelle Violetta initiiert wurde, ist das Thema Gewalt. „Wir wollen damit zeigen, dass es einen Weg nach außen gibt, und in der Öffentlichkeit demonstrieren, dass man sich Hilfe holen kann“, informiert Violetta-Mitarbeiterin Esther Weißgerber.
Besonders interessant sei dabei die Tatsache, dass besonders sexuelle Gewalt oftmals von Generation zu Generation weitergegeben werde. „So lange, bis einer anfängt, darüber zu sprechen, das scheint diese Kette zu unterbrechen“, erklärt eine Mitorganisatorin. Das bestätigte auch Albrecht, „Früher hat man nicht darüber gesprochen. Ein Griff unter den Rock war doch nicht Schlimmes. Das war eben so.“ Heute werde dieses Thema zunehmend enttabuisiert. Die Veranstaltungsreihe „Gewaltige Wochen“ wolle Zeichen setzen, Kraft geben. „Es geht dabei nicht nur um sexuelle Gewalt. Es gibt viele Formen der Gewalt, und dagegen können Frauen sich wehren“, so Weißgerber.
Ein weiterer Höhepunkt dieser Wochen ist der weltweite Aktionstag „One Billion Rising“ am morgigen Dienstag, dessen Ziel das Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist. Ab 17 Uhr tanzen Frauen und Männer auf dem Dannenberger Marktplatz eine Choreographie zu dem Song „Break the chains“ („Zerbrich die Ketten“). „Das ist ein weltweit getanzter Tanz. Er soll ein symbolischer Akt des Aufstehens sein“, erklärt eine der Initiatorinnen. Im Café Grenzbereiche ist derzeit eine Ausstellung zu diesem Thema zu sehen, bei der jede Frau selbst plakativ in eigenen Sätzen ihre Meinung zum Thema Gewalt aufschreiben kann.
Dass das Thema weltweit aufrüttelt, wurde sogar in Platenlaase deutlich: Eine indische Zuhörerin zeigte sich dermaßen beeindruckt von Albrechts Vorstellung, dass Sie die Schauspielerin bat, dieses Stück auch in ihrer Heimat zu zeigen. Albrechts Antwort darauf lautete: „We keep in touch.“
gefunden ejz vom 13.2.2017