Energiekonzerne verlieren an Bedeutung als Feindbilder der Gorleben-Gegner
bp Gorleben. Niemand kennt die Zukunft. Auch niemand, der in der Glaskugel ein verschwommenes Bild des Morgens zu erkennen glaubt. Auch die Verantwortlichen der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), die das Atommüll-Zwischenlager in Gorleben betreibt, haben vermutlich keine Tarotkarten in der Schreibtischschublade liegen. Trotzdem wagten sie am Montagabend bei einer Infoveranstaltung mit Mitgliedern des Gartower Samtgemeinde- und des Gorlebener Gemeinderates im Gorlebener Infohaus einen mutigen Blick nach weit vorne.
Denn in Gorleben stehen heftige Veränderungen an. Der Staat wird das Zwischenlager innerhalb der kommenden Monate und Jahre übernehmen. Die GNS dagegen, deren Gesellschafter die vier Energieriesen E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall sind, gibt das Zwischenlager aus der Hand. Die ehemaligen Atomkraftwerkbetreiber zahlen 23 Milliarden Euro in einen Fonds ein und werden dadurch die Verantwortung für den strahlenden Müll los.
Wie das alles konkret vonstatten gehen soll, ist bisher niemandem so recht klar, es laufen offenbar Gespräche dazu zwischen den Energieriesen und der Bundesregierung. Die GNS ist daran nach eigenem Bekunden weder beteiligt noch über konkrete Inhalte informiert. Erst Anfang kommenden Jahres sollen Gespräch zwischen Bund und GNS stattfinden. Letztere vermutet, dass die Übergabe des Gorlebener Zwischenlagers um 2019 über die Bühne geht. Was der Bund anschließend vorhabe, sei der GNS unbekannt. „Es wird spannend, wie das alles werden und funktionieren wird“, bekundete der stellvertretende GNS-Geschäftsführer Holger Bröskamp.
Doch dieser Spannung zum Trotz bekundeten die GNS-Vertreter, dass der Bund an vielem, das er übernehme, gar nichts ändern könne. Schließlich handle es sich um einen Betriebsübergang, und der sei rechtlich geregelt. Nach der Übergabe könne nicht willkürlich alles anders sein als zuvor. Die GNS geht zum Beispiel davon aus, dass die zu gründende Bundesgesellschaft die heutigen GNS-Mitarbeiter übernimmt. Auch die Strukturhilfemittel, die sogenannten Gorleben-Gelder, die die Samtgemeinde Gartow und die Gemeinde Gorleben jährlich von der GNS überwiesen bekommen, hat der Bund nach Einschätzung der GNS weiterhin zu übernehmen. „Meiner Meinung nach geht so ein Vertrag über“, vermutete Bröskamp. Zwar sei er in diesen Details „nicht drin“, er gehe aber „stumpf davon aus“. Die Mehrheit der Einwohner, der Kommunalpolitiker und der Verwaltung in Gartow dürfte hoffen, dass Bröskamp Recht behält, denn ohne die ebenso kräftige wie verlässliche Finanzspritze sähe die Samtgemeinde alt aus. Mit großzügigem Sponsoring, mit dem die GNS zum Ärger einiger Atomkraft-Kritiker, die darin Versuche des Gefügigmachens erkannten, nie gegeizt hat, könnte es dagegen vorbei sein. Am Wochenende findet etwa ein Hallenfußballturnier in Gorleben statt, das die GNS finanziell unterstützt. Ob die staatliche Gesellschaft auch so agieren würde, sei fraglich, war zwischen den Zeilen zu hören.
Doch auch der Bund wird als zukünftiger Betreiber des Zwischenlagers „in Problemfelder reinlaufen“, prophezeite Bröskamp. Denn die Genehmigung für die Einlagerung der Castoren läuft 40 Jahre und endet für Gorleben demnach im Jahr 2035. Es muss also offenbar eine Verlängerung der Genehmigung her, denn zu diesem Zeitpunkt wird es, soviel ist mal gänzlich sicher, noch immer und längst noch kein funktionsfähiges Endlager geben.
Obwohl die GNS weiß, dass sich das Zwischenlager nicht mehr lange in ihren Händen befinden wird, setzt sie auch weiterhin Vorgaben um, tue alles, „um einen geordneten Betriebsübergang zu ermöglichen“. Beispielsweise setzt die GNS schrittweise insgesamt 69 Anti-Terror-Maßnahmen um, unter anderem die Planung eines Mauerbaus um das Transportbehälterlager, in dem die 113 Castoren stehen. Klar ist, dass die Mauer die Halle 500 Meter lang umspannen wird. Die Bauzeit würde geplant zwei Jahre dauern. „Wir haben alle Voraussetzungen geschaffen – es hängt an anderer Stelle“, sagte Lutz Oelschläger, der Leiter des Zwischenlagers. Er meint damit das neue Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), das offenbar erst einmal ins strukturierte Arbeiten kommen muss. Außerdem wird die Sicherungsanlage auf dem Gelände neu errichtet und der bestehende Parkplatz versetzt. Die geplante Erweiterung des Fasslagers (EJZ berichtete) setzt die GNS nicht mehr um.
gefunden ejz vom 2.12.2016