GNS und Atomkraftgegner bewerten Schaden an Fässern im Zwischenlager Gorleben sehr unterschiedlich
bp Gorleben. Fast alles im Leben ist eine Frage der Interpretation und des Geschmacks. Für den einen ist Saumagen eine Delikatesse, für den anderen eine Zumutung. In Gorleben sollte es eigentlich um Fakten gehen und nicht um Interpretationen und Geschmack. Dass dem nicht so ist, zeigte sich am Montagabend im Gorlebener Infohaus der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), die in dem Ort das Atommüll-Zwischenlager betreibt. Die GNS hatte die Mitglieder des Gartower Samtgemeinderates und des Gorlebener Gemeinderates eingeladen – längst nicht alle Ratsleute kamen -, um unter anderem über die Rostfässer zu sprechen, von denen dieser Tage erneut einige im Gorlebener Abfalllager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll aufgetaucht sind.
Doch Rost ist nicht gleich Rost. Die GNS-Vertreter sprachen von „Farbabblätterungen und kleineren Korrosionsspuren“ und präsentierten den Ratsleuten Fotos eines Fasses, auf dem sich ein Rostbereich in der Größe eines Zwei-Euro-Stücks befand. Das ist alles nicht so schlimm, so lautete die Botschaft der GNS und diesen Eindruck vermittelten auch die Fotos. Allerdings existieren auch ganz andere Aufnahmen – und die präsentierte die GNS nicht. Fotos, die der EJZ vorliegen und die Fässer mit teils großflächigen Rostspuren zeigen.
Ist es Zufall oder Absicht, dass die GNS an dem Informationsabend die besonders harmlos wirkenden Fotos gezeigt hat? „Wir sehen die Auswahl des Fotomaterials als Teil einer Bagatellisierung der Befunde seitens des Betreibers an“, zu diesem Schluss kommt Matthias Gallei, der für die Grünen im Samtgemeinderat sitzt. Die Grünen wollen sich dafür einsetzen, dass die deutlich gravierender wirkenden Fotos „in der nächsten Sitzung des Rates gezeigt werden“. Auch hat die Grünen der Infoabend nicht beruhigt, sondern: „Wir fordern weiterhin ein neues Sicherheits- und Inspektionskonzept von der GNS.“
Genau das will die GNS nicht liefern. Der stellvertretende GNS-Geschäftsführer Holger Bröskamp begründete die „unterschiedliche Auffassung“ damit, dass die Forderungen des Landesumweltministeriums „sachlich nicht begründet“ seien, da „keine Gefahr im Verzug“ sei. Das aber müsse laut Atomgesetz Grundlage für eine solche Anordnung des Ministeriums sein. Bereits nach dem Auffinden feuchter Stellen im Abfalllager habe die GNS Überwachungssysteme und eine andere Klimatisierung installiert, darüber hinaus erfolge die Zwischenlagerung „streng nach gesetzlichen Vorgaben“. Einen Grund zur Sorge gebe es nicht. Dass es sich nur um elf rostige von ehemals insgesamt 1300 Fässern handle, betonte der Gorlebener Werkleiter Lutz Oelschläger. Vier weitere Fässer sind mechanisch beschädigt, haben also beispielsweise Dellen. Es handle sich um Einzelschäden, die die Fässer „in ihrer Funktion“ nicht einschränken würden. Es gebe „keine Durchrostungen“, denn darunter befinde sich „blankes Metall“.
Gallei kritisierte die Kommunikation der GNS mit der Samtgemeinde. Es sei zu wenig, gegenüber politisch gewählten Vertretern „auf eine Pressemitteilung zu verweisen“. Der Grüne wünscht sich eine „umfassendere und zügigere Kommunikation“. GNS-Sprecher Jürgen Auer, der übrigens in knapp einem halben Jahr in Rente geht, hielt dagegen: „Wir sind immer aufgeschlossen und offen.“ Die Samtgemeinde sei unverzüglich über alle relevanten Punkte informiert worden. Bröskamp unterstrich, die GNS wolle „nichts verbergen, sondern offen kommunizieren“. CDU-Ratsmitglied Udo Maury pflichtete dem bei: „Der Samtgemeindebürgermeister gibt die Informationen weiter – ich fühle mich nicht schlecht informiert.“ Das sieht auch Gorlebens Bürgermeister Klaus Hofstetter (Wählergemeinschaft Gorleben) so: „Ich fühle mich gut informiert.“ Wir wissen ja: Es ist alles eine Frage der Interpretation und des Geschmacks.
gefunden: ejz vom 30.11.2016