Lüchow-Dannenberger Anti-Gorleben-Schulterschluss verreißt Abschlussbericht der Endlagerkommission
bp Lüchow. Höchst kritisch hat der sogenannte „Schulterschluss Lüchow-Dannenberg“ auf den Abschlussbericht der Endlagerkommission (EJZ berichtete) reagiert. Das Anti- Gorleben-Bündnis, zu dem unter anderem die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow- Dannenberg, die Bäuerliche Notgemeinschaft und der Kirchenkreis zählen, geißelten den Bericht bei einem Zusammentreffen gestern Mittag im Lüchower Ratskeller als „alten Geist in neuer Flasche“.
„Entsetzt“, „unverständlich“, „dramatisch“, „gescheitert“, „enttäuscht“ – diese und ähnliche Wörter sausten während der Stellungnahmen durch den Raum. Den Gorleben-Gegnern ist naturgemäß vor allem eines ein Dorn im Auge: dass Gorleben sich weiterhin im Topf möglicher Standorte befindet. Auf ihn laufe es am Ende sowieso doch wieder hinaus. Denn die Mehrheit in der Kommission habe darauf geachtet, Kriterien, die Gorleben ausgeschlossen hätten, zu vermeiden. Beispiel: Entgegen der Forderung vieler Geologen konnte sich die Kommission nicht darauf einigen, ein intaktes Deckgebirge, also eine wasserundurchlässige Schicht zwischen dem Einlagerungsbereich und dem Grundwasser, zu einer verpflichtenden Mindestanforderung zu erklären. Der Gorlebener Salzstock verfügt nicht über ein intaktes Deckgebirge.
Doch auch andere Argumente kamen zum Tragen. Die sogenannte Legalplanung kritisierte beispielsweise Wolf-Rüdiger Marunde von der Bäuerlichen Notgemeinschaft. Hinter diesem Begriff verbirgt sich, dass nicht mehr Behörden, sondern der Bundestag per Gesetz über die Auswahlschritte auf dem Weg zum Endlager entscheidet. Das führe dazu, dass die Klagerechte von Betroffenen eingeschränkt würden und lediglich noch eine Verfassungsklage möglich wäre. Zu wenig, finden die Schulterschlüssler. Es müsse möglich sein und bleiben, dass betroffene Bürger „einzelne Entscheidungen vor Gericht überprüfen lassen können“. Für Betroffene gebe es „keine substanziellen Rechte“ mehr, äußerte auch Anna Gräfin von Bernstorff. Sie kritisierte außerdem, dass, statt endlich eine Öffentlichkeitsbeteiligung anzustreben, nur Öffentlichkeitsarbeit stattfinde. Der Gartower Pastor Eckhard Kruse äußerte, der Abschlussbericht falle „weit hinter die teilweise gute Arbeit der Kommission zurück“.
Ebenfalls viel gescholten wurde der Zeitplan der Kommission. Ihre Arbeit sei geprägt gewesen von einem „Wir-habenkeine- Zeit-Denken“, kritisierte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Es sei dramatisch, dass die Kommission über diese Haltung nicht hinausgekommen sei. Auch aus diesem Grund ist er der Meinung, dass die BI vor rund zwei Jahren richtig gehandelt habe, als sie der Mitarbeit in der Kommission eine Abfuhr erteilte. Das werde nun erneut geschehen, denn auch im Nationalen Begleitgremium, das die Suche nach einem Standort flankieren soll, werde die BI nicht mitarbeiten. Er ist sich sicher, dass die BI „neue Bündnispartner“ für einen gemeinsamen Kampf bekommen wird, wenn erst einmal andere mögliche Standorte benannt sind. Das Fazit des Schulterschlusses lautet, dass der vorgezeichnete Weg ermögliche, dass auch ein geologisch ungeeigneter Standort zum Endlager werden könnte. Alles sei und bleibe „eine Frage der politischen Machtverhältnisse“.
Haben die Gorleben-Gegner neben der vielen Kritik auch noch Hoffnung? Marunde äußerte die Chance, dass im nun anstehenden parlamentarischen Verfahren Kernpunkte überarbeitet werden. Deshalb sei es wichtig, dass Vertreter aus der Region ein Gegengewicht bilden würden. Die kirchlichen Vertreter sehen in der Tatsache, dass die Kommission versäumt habe, den Konflikt rund um Gorleben zu befrieden, den Arbeitsauftrag, wachsam zu bleiben.
Vielleicht war es Gewerkschaftsvertreter Rudi Sproessel, der es am meisten auf den Punkt brachte: Diesen Kommissionsbericht könne man „in die Tonne werfen“. Die Bundestagsabgeordnete Hiltrud Lotze sieht es anders und sich nicht in der Lage, das Positionspapier des Schulterschlusses mitzutragen. In einem offenen Brief an das Bündnis schreibt sie, sie sei der Meinung, „dass der Endlagerkommission mit ihrem Bericht ein großer Schritt in die richtige Richtung gelungen“ sei.
gefunden in ejz (01/07/2016)