Thema Katastrophenschutz: Bleibt Prämisse „der Castor ist dicht“ gültig?
fk Lüchow. Für den Fall, dass es in den Atomanlagen in Gorleben zu einem Unfall kommt, dessen Folgen über die Begrenzungen der Betriebsgelände hinaus gehen, gibt es keinen speziellen Katastrophenschutzplan. Vielmehr sollen die Folgen in Rahmen des allgemeinen Katastrophenschutzes bewältigt werden. Das ist seit Jahrzehnten ein wiederkehrendes Thema in den Gremien des Landkreises. Denn im Falle des Falles wären die Einrichtungen, über die der Landkreis im Katastrophenfall verfügen könnte, überfordert. So jedenfalls sieht es inzwischen auch der Landkreis selbst.
Aber alle Vorstöße von Seiten des Kreistages oder der Verwaltung, an der Lage etwas zu verändern, stießen bei den wechselnden Landesregierungen in Hannover auf Ablehnung. Geändert hat sich nichts. In diesem jahrzehntelangen Stillstand sind schon kleine Bewegungen, auch wenn sie nur vermutet werden, ein Hoffnungsschimmer. Das gilt jedenfalls für diejenigen, die den aktuellen Stand für mangelhaft halten.
In der Sitzung des Fachausschusses des Kreistages für die Atomanlagen am Wochenanfang berichtete der Erste Kreisrat Claudius Teske von einer solchen Bewegung. Er vermutet einen Unterschied zwischen dem niedersächsischen Umweltminister und seinen Mitarbeitern in dieser Frage.
Während „der Apparat“, wie Teske ihn nannte, weiter die Vorstöße aus Lüchow-Dannenberg zurückweist, sei das von Minister Stefan Wenzel nicht zuhören. Teske berichtete dem Ausschuss von einem Treffen im Radiologischen Lagezentrum des Landes in Hildesheim.
Er habe dem Minister die Notwendigkeit eines besonderen Katastrophenschutzplanes Atomanlagen unter anderem mit der Zahl von 200 Überflügen, die jährlich in Gorleben stattfänden, begründet. Der Landkreis sei nicht in der Lage, eigene Katastrophenschutzszenarien zu entwerfen, weil ihm dazu die Daten fehlten. „Es gibt hier nicht das Know-how dafür“, meinte Teske. Deshalb gehe auch der Vorschlag von Seiten des Ministeriums ins Leere, Lüchow-Dannenberg solle doch ein Worst-case-Szenario entwerfen. Wenigstens das Bundesamt für Strahlenschutz müsse hinzu gezogen werden.
Bisher wurde ein besonderer Katastrophenschutz für unnötig erklärt, weil die Aussage galt: „Der Castor ist dicht“, und er bleibt es auch im Unglücksfall, etwa einem Flugzeugabsturz oder einem Terrorangriff. So lange diese Ansicht gilt, wird sich an der Einsicht zum Katastrophenschutz nichts ändern, vermutete Kurt Herzog (SOLIi) in der Ausschusssitzung. Teske schloss sich dieser Ansicht an. Der „Apparat“ gehe wohl auch weiterhin davon aus, dass der Castor nicht zerstörbar sei, meinte der Kreisrat. Vom Minister sei das jedoch nicht wiederholt worden.
Die Sitzung des Atomausschusses bot Gelegenheit, erneut über die Arbeit und die Ergebnisse der Endlager-Kommission zu sprechen. Martin Donat (SOLI) stellte fest, dass es keinen gemeinsamen Bericht der Kommission für eine neue Endlagersuche geben werde. Der Dissens in wichtigen Fragen bleibe. Nahezu unbemerkt sei kurzfristig das Mehrbarrierenkonzept als Kriterium gekippt worden. Das Mehrbarrierensystem galt seit den Anfängen der Endlagersuche in den siebziger Jahren als notwendiger Bestandteil der Sicherheitsanforderungen. Bei Anhörungen zum Standort Gorleben, etwa in Hitzacker, wurde auf dieses System verwiesen, wenn Zweifel an einzelnen Aspekten des Endlagergebäudes geäußert wurden. Mehrbarrieren, das bedeutet: radioaktive Partikel müssten auf dem Weg aus einem Endlagerbehälter an die Erdoberfläche mehrere Barrieren technischer und geologischer Art überwinden.
gefunden in ejz (30/06/2016)