Die Jusos in Niedersachsen fordern den Rücktritt des AfD-Kreisvorsitzenden Stephan Bothe, weil er „offen Sympathien für rechtsextremes Gedankengut“ gezeigt habe. Bothe weist diese Forderung zurück.
bp Lüchow. Das Video zeigt ein Lager junger Männer, die Stimme im Off beschwört eine „konservative Revolution“, das „Bedürfnis nach Identität“ und „kulturelles Überleben“. Auf Facebook eingestellt hat das Video die Gruppe „Identitäre Bewegung Großraum Lüneburg“, auf „gefällt mir“ hat Stephan Bothe gedrückt. Der ist kommissarischer Vorsitzender des Kreisverbandes Lüchow-Dannenberg/Lüneburg der Partei Alternative für Deutschland (AfD) und sitzt im Landesvorstandes der rechtskonservativen Partei. Wegen seines Agierens bei Facebook, das teilweise allerdings schon eineinhalb Jahre zurückliegt, hat er nun die Landes-Jusos am Hals. Die fordern den Rücktritt des AfD-Mannes.
Der hat das betreffende Video auch kommentiert: „Tolles Video. Von wem ist die Musik?“ – „Werkraum: Steh auf Nordwind“, lautet die Antwort. Diese ehemalige Band zählt zum Neofolk, einem Genre, dessen Musiker Experten teilweise dem rechten Spektrum zuordnen. Auch ansonsten macht es den Anschein, dass Bothe Kontakt mit Anhängern der Identitären Bewegung hat, denn dokumentiert ist auch ein weiterer Post unter einem Bild, auf dem Anhänger der Gruppierung zu sehen sind. Außerdem ist Bothe mit den Gruppen „Identitäre Bewegung Deutschland“, „Identitäre Bewegung Österreich“, „Pegida“ sowie mit der Zeitschrift „Zuerst! – Deutsches Nachrichtenmagazin“, das Experten dem rechtsextremen Spektrum zuordnen, befreundet.
Die Identitäre Bewegung ist ein eher loser Zusammenschluss rechtsextremer und völkischer Gruppen, die der Verfassungsschutz als Gruppierung im europäischen Rechtsextremismus einstuft und die der Verfassungsschutz seit Kurzen beobachtet.
Die niedersächsischen Jusos, die Nachwuchsorganisation der SPD, schlägt nun Alarm. Bothe habe „offen Sympathien für rechtsextremes Gedankengut“ gezeigt. Den Kommentar unter dem Video werten die Jusos als öffentliche positive Äußerung gegenüber „rechtsextremer Propaganda“. Der stellvertretende Juso-Landesvorsitzende Arne Zillmer formuliert: „Wie wir mit Entsetzen feststellen mussten, liebäugelt Herr Bothe offen mit rechtsextremem Gedankengut.“ Es sei „erschreckend“, dass ein AfD-Funktionär sich „so offen positiv über die Machenschaften von braunen Rattenfängern“ äußere. Bei den Seiten, die Bothe „geliked“ habe, handle es sich „pikanterweise genau um jene Seiten, die vom Verfassungsschutz im Verfassungsschutzbericht aufgeführt werden“. Zillmer fordert Bothes Rücktritt und betont: „Der Fall Bothe zeigt, dass jemand Kontakte zu Vertretern rechtsextremer Gruppierungen haben kann und deren völkische Propaganda auch noch ,toll‘ finden darf, aber trotzdem im Kreis- und Landesvorstand der AfD sitzen kann.“ Das mache „jegliche Distanzierung dieser Partei vom Rechtsextremismus“ unglaubwürdig.
Bothe kann die Aufregung nicht verstehen und glaubt, dass es lediglich darum gehe, „einen erfolgreich arbeitenden AfD-Politiker zu diskreditieren“. Er pflege „keinen Kontakt zu einer der Gruppierungen“ und erklärt: „Eine Verlinkung auf Facebook herzustellen, bedeutet für mich keine Zusammenarbeit oder eine übereinstimmende Meinung, sondern sei als „Informationsquelle für meine politische Arbeit“ zu verstehen. Schließlich sei er auf Facebook auch mit den Jusos befreundet – „ohne jegliche Sympathie“ und „aus demselben Grund“. Kontakte zu führenden Köpfen der Identitären Bewegung habe er nicht, überdies sei ihm die Struktur und der personelle Aufbau der Gruppierung „völlig unbekannt“. Auch insofern seien die Ausführungen der Jusos „lächerlich“ und ohne Substanz.
Frage der EJZ: Was hält Bothe grundsätzlich von Pegida und der Identitären Bewegung? „Ich halte beides für Protestbewegungen, die in ihrer Grundidee eine Kritik an der Zuwanderungspolitik der letzten Jahrzehnte sind. Da diese Bewegungen meiner Kenntnis nach gewaltfrei ihre Protestaktionen durchführen, halte ich sie für legitim und ihre Kritik an der politischen Entwicklung zum Teil für berechtigt“, lautet die Antwort. Es müsse „zur Demokratie gehören, sich die Argumente der Protestbewegungen anzuhören und diese ernst zu nehmen“. Allerdings sehe er die Entwicklung gerade von Pegida „äußerst kritisch“. Die Identitäre Bewegung in Deutschland sei eine „unbedeutende, ungefährliche, patriotische Protestbewegung von Jugendlichen ohne irgendeinen gesellschaftlichen oder politischen Einfluss“.
Er selbst sehe sich als „bürgerlichen, konservativen Politiker, der jeden Extremismus entschieden ablehnt und stets bekämpfen wird“. Kritik übt Bothe allerdings an den Jusos und Arne Zillmer, der „in enger Verbindung zur Antifa“ stehe und regelmäßig an Protestaktionen beteiligt sei, „die auch in Krawallen enden“.
gefunden: EJZ 31.05.2016