tl Gorleben. Hier ein Musiker-Duo, dort ein Artist. Auf der Bühne der Chor Kiliano und ein gut gelauntes Publikum von deutlich mehr als tausend Menschen: Schon zu Beginn der Kulturellen Widerstandspartie rund um das Bergwerk in Gorleben war am frühen Freitagnachmittag kaum ein schattiges Plätzchen mehr zu bekommen. Viele Wunderpunkte der Kulturellen Landpartie (KLP) hatten an diesem Tag ihre Türen geschlossen und nach Gorleben, zum wundesten aller Punkte, eingeladen.
Zum Punkt, an dem sichtbar wird, was die Aussteller eint: der Widerstand gegen ein atomares Endlager in Gorleben, der Widerstand gegen Atomstrom, der Widerstand gegen eine aufgezwungene Entscheidung der Politik. Davon sangen auch zwei Musiker vor der Beluga, dem ehemaligen Protestschiff von Greenpeace: „Die Natur wird zerrüttet, Hauptsache, die Schornsteine qualmen.“ Sie traten für das Publikum ebenso überraschend auf wie die Pantomime-Künstler des Chaos Varietés oder Zauberkünstler und ein Jongleur. Immer wieder starteten die Künstler ihre Performance einfach irgendwo mitten im Gewimmel, in dem fast kein Fuß vor den anderen zu bekommen war.
Die Atmosphäre gefiel, auch Laura Franziskus aus Potsdam. „Die Widerstandspartie ist für mich der Höhepunkt der KLP. Ich bin an keinem anderen Punkt so oft ins Gespräch gekommen wie hier. Die Fremden fühlen sich überhaupt nicht fremd an“, schwärmte die 38-Jährige, die zusammen mit ihrem Freund und ihrem kleinen Sohn ins Wendland gekommen ist. „Die Fahrt nach Gorleben war anstrengend, weil überall die Autos durcheinander parken, aber sie hat sich gelohnt“, meinte sie. Tatsächlich brauchten diejenigen Geduld, die etwa über Gedelitz wieder nach Hause wollten. Mehr als zwei Kilometer lang war nur Schritttempo drin. Das war auf dem riesigen Festplatz, der sich vor dem gesamten Erkundungsbergwerk erstreckte, nicht anders. An fast allen Ständen standen lange Schlangen. Aus fast allen Regionen des Wendlands waren Vertreter gekommen, um eine kleine Auswahl der KLP zu bieten.
Besonders viel Andrang herrschte an der Haltestation der Bäuerlichen Notgemeinschaft, die mit mehreren Treckern und Anhängern Rundfahrten um das Bergwerk organisierten. Die Polizei fuhr zeitweilig mit sechs Wagen hinter einem Trecker her, um die Lage zu beobachten. Im vergangenen Jahr war die Situation an den Zäunen zum Erkundungsbergwerk eskaliert. Deshalb hatte man in diesem Jahr vorgesorgt und war mit deutlich mehr Polizisten angerückt. Und auch in diesem Jahr gab es Ausschreitungen am Rande, wie Polizeisprecher Kai Richter der EJZ schilderte: Gut 30 Vermummte hätten Teile des Zauns zum Bergwerk zerschnitten, einige seien auf das Gelände gelangt, aber gleich wieder zurückgeholt worden. Außerdem seien Polizisten mit Farbkugeln beworfen worden, sagt Richter. Dennoch habe der Zwischenfall den Gesamtcharakter der Veranstaltung nicht beeinträchtigt, meint der Polizeisprecher. Bis Redaktionsschluss blieb das auch so. Nur wenige störten sich offenbar an der recht hohen Polizeipräsenz. „Was wollen die denn bloß von uns?“, rief ein Fahrgast von einem der Anhänger hinunter.
Währenddessen hielten andere Besucher gleich am Eingang des Festplatzes Ausschau von ganz oben: Per Teleskopkran ging es hoch in die Luft. Von dort aus konnten sich vor allem Ortsunkundige einen Überblick über die atomaren Anlagen Gorlebens verschaffen. Andere tanzten ausgelassen zu der Musik, die von den Bühnen erklang, etwa von den Sparkling Hearts, dem Duo Muul Op oder dem WendlandHippieOhrkestra. „Das ist ja toll, die ganze Tontechnik funktioniert über Solarstrom“, zeigte Phillip Danzer aus Wien begeistert auf den Solaranhänger neben der großen Bühne. Der Zwölfjährige hörte zusammen mit seinem Vater zu, als der Chor Kiliano gerade vom „Circle of Life“ sang. Später wolle er zu den anderen Kindern auf die Beluga klettern, verriet er. Dort tummelten sich einige Kinder, das Protestschiff war voll in Kinderhand.
Die Party am Bergwerk, sie war gleich zu Anfang voll in Gang. Und das blieb auch bis spät in die Nacht so.
ejz. vom 14.05.2016