In Dannenberg gerät der „Theodor-Körner-Stein“ ins Visier der Politik
„Hinter uns, im Grau‘n der Nächte, Liegt die Schande, liegt die Schmach, Liegt der Frevel fremder Knechte, Der die deutsche Eiche brach.
Unsre Sprache ward geschändet, Unsre Tempel stürzen ein; Unsre Ehre ist verpfändet, Deutsche Brüder, löst sie ein! Brüder, die Rache flammt!
Reicht euch die Hände, Daß sich der Fluch der Himmlischen wende! Löst das verlorne Palladium ein!“
rg Dannenberg. Wären diese Zeilen das Werk eines heute lebenden und wirkenden Dichters, sähe sich dieser mit Sicherheit schnell in die rechte Ecke gedrängt. Mit Sicherheit würde er eingeladen, den Hauptredner bei einer Pegida-Kundgebung zu geben, oder für die AfD bei der Bundestagswahl zu kandidieren. Doch der Dichter lebt längst nicht mehr: Die Zeilen sind aus dem „Bundeslied vor der Schlacht“, stammen von Theodor Körner, dem großen deutschen Dichter-Patrioten der Freiheitskriege gegen die napoleonische Besatzung und Unterdrückung großer Teile des deutschen Reichsgebietes, und er schrieb sie auf dem Höhepunkt dieses Ringens um Freiheit und nationale Selbstbestimmung 1813 – in Dannenberg, auf einem Stein sitzend. Dieser Stein liegt noch heute in der Jeetzelstadt, auf dem St.-Annen-Friedhof, versehen mit der Inschrift „Auf diesem Steine sitzend dichtete Theodor Körner 1813 sein Bundeslied vor der Schlacht“. Und daran findet man in den politischen Kreisen Dannenbergs jetzt Anstoß. „Fragwürdig und kriegstreibend“ sei das Leben und Wirken Theodor Körners, finden Kurt Herzog und seine SOLI-Fraktion und wollen den Stein daher mit „einer erklärenden Texttafel“ versehen. Und Günther Voss (CDU) sähe es am liebsten, würde der Stein einfach ohne großes Aufheben und Aufsehen in eine Ecke des Friedhofes verfrachtet und dort sich selbst und dem Überwuchern überlassen. Man schämt sich in Dannenberg seiner Körner- Vergangenheit, hat es den Anschein.
Das war aber nicht immer so. Erst im Jahr 2006 war der Stein frisch aufgearbeitet und umgesetzt mit viel Tamtam wieder eingeweiht worden. Zwar hatte es schon damals die mahnende Stimme des Historikers Axel Kahrs gegeben, der als Redner auf die blutrünstigen, revanchistischen und deutschtümelnd-nationalen Inhalte vieler Werke Körnerns hinwies, sie allerdings auch in den zeitlichen, den geschichtlichen Rahmen einordnete. Ein richtiger Ansatz, blickte Herzog bei der Sitzung des Dannenberger Stadtentwicklungsausschusses zurück. Doch der müsse jetzt konsequent weitergegangen werden, forderte er. Eben mit einer Texttafel, wie sie auf dem St.-Annen-Friedhof schon an der Prochaska-Stele und dem Kriegerdenkmal zu finden sind. Doch mit seinem Antrag scheiterte Herzog. Lediglich er und Bürgermeisterin Elke Mundhenk (Grüne) sprachen sich für eine solche Texttafel aus, die CDU- und SPD-Ausschussmitglieder votierten dagegen oder enthielten sich.
„Was wollen wir den Besuchern des Friedhofes denn noch alles erklären“, begründete Ex- Bürgermeister Voss seine Ablehnung. Er kenne den Stein seit seiner Kindheit, habe darauf gespielt. „Hätten wir den Stein damals umgekippt, auf die Schriftseite, würde heute kein Mensch mehr darüber reden“, stellte er heraus. Und vielleicht sollte man das heute angesichts „der unmöglichen Verse“ Körners auch einfach tun, bevor man dort mit ziemlich hohem Aufwand und recht hohen Kosten eine weitere Texttafel anbringe: „In die Ecke, umkippen, vergessen“, so Voss. Ganz anders sah und sieht das Ernst Bader (CDU). Wie weit wolle man in der Geschichte eigentlich noch zurückgehen, um sich für Geschehenes oder Geschriebenes zu entschuldigen, fragte er. „Das war damals in den Befreiungskriegen nun einmal so, das war die Zeit.“ Es sei „ein Armutszeugnis“, sich jetzt, nach mehr als 200 Jahren, in dieser Form damit zu befassen. „Geschichte ist Geschichte“, so Bader: „Und dafür braucht man sich nicht zu rechtfertigen und nicht zu entschuldigen.“
gefunden in EJZ, 19.04.2016