Parteilos oder AfD-Bürgermeister?

Eventuell AfD-Kandidaten bei Kreistagswahl Kritik an AfD-Frau Allgayer-Reetze als Kulturring Vorsitzender

bp Lüchow. Ist es statthaft, dass Wilhelm von Gottberg, Mitglied im Landesvorstand der Alternative für Deutschland (AfD), bei landesweiten Veranstaltungen der Partei als „AfD-Bürgermeister“ angekündigt wird? Das klingt gerade so, als sei Lüchow-Dannenberg eine AfD-Hochburg, als hätten die Wähler schon vor Jahren in der Mehrheit für einen Kandidaten der Partei gestimmt. Doch genau das ist nicht der Fall. Zur der Zeit, als die jüngste Kommunalwahl in Lüchow-Dannenberg stattfand, im September 2011, war die Alternative für Deutschland höchstens als Idee im Kopf von Parteigründer Bernd Lucke existent. Bis zur Gründung dauerte es von da an noch fast eineinhalb Jahre. Von Gottberg – aus Enttäuschung nach vier Jahrzehnten aus der CDU ausgetreten – trat damals als Parteiloser auf Platz eins der CDU-Liste in Schnega an. Erst 2013 wurde er Mitglied der deutlich rechts der CDU angesiedelten AfD und prompt in deren Landesvorstand gewählt.

Unstrittig ist, dass von Gottberg von der AfD immer wieder als „AfD-Bürgermeister der Gemeinde Schnega“ betitelt wird. So zu lesen zuletzt auf der Internetseite des AfD-Kreisverbandes Goslar, in den Schaumburger Nachrichten und auf der Facebook-Seite der Nachwuchsorganisation der Partei, der Jungen Alternative. Das klingt schließlich auch schick und erfolgreich im Sinne der Partei. Nur richtig ist es nicht. Niemand hat von Gottberg als AfD-Mann gewählt. Wie die Wahl ausgegangen wäre, wenn er bereits zu diesem Zeitpunkt Mitglied der Partei gewesen wäre, die einige feiern und andere verdammen, ist eine Frage, die nicht zu klären ist. Insofern ist es aus Sicht der AfD vielleicht taktisch klug, mit von Gottberg als AfD-Bürgermeister zu werben, doch korrekt ist es nicht.

Das sieht nicht zuletzt von Gottberg selbst so. „Ich habe mich selbst nie so bezeichnet, das haben immer nur andere getan“, betont er, sagt sogar, dass ihm „nicht wohl dabei“ gewesen sei. als er mit „erster AfD-Bürgermeister in Niedersachsen“ betitelt worden sei. Er sei als Parteiloser gewählt worden und insofern empfinde er es auch korrekt, in seinem Amt als solcher bezeichnet zu werden. „Wilhelm von Gottberg (parteilos)“, schriebt aus diesem Grund bisher auch die EJZ, wenn sie über AfD-Mitglied von Gottberg berichtet.

Kritik aus dem Rat Schnega, dem von Gottberg vorsteht, habe es wegen der Bezeichnung bei AfD-Veranstaltungen und auch hinsichtlich der Mitgliedschaft nie gegeben, sagt von Gottberg. Mitglieder des Rates haben gegenüber der EJZ bestätigt, dass es im Rat zu dem Thema bisher keine Diskussionen gegeben habe, einige Mitglieder persönlich aber sehr wohl ein Problem mit von Gottbergs Parteizugehörigkeit haben. „Der Rat steht hinter mir“, betont von Gottberg und stellt gleichzeitig klar, dass er aus seiner Sicht keinen Wahlkampf für seine Partei mache, sondern vom Landesverband gebeten worden sei, über Bedingungen zur Zulassung bei Kommunalwahlen zu informieren. In dieser Mission ist von Gottberg landesweit unterwegs. Letztlich hilft er dabei, kommunale Kandidaten für die Partei zu rekrutieren.

In den eigenen Gefilden will von Gottberg sich bei der Kommunalwahl im September in erster Linie auf die Kreistagswahl konzentrieren. Er ist bereit für die AfD zu kandidieren, macht allerdings zur Bedingung für diesen Schritt, dass sich mindestens zwei weitere Kandidaten finden. „Als Einzelbewerber macht das keinen Sinn“, findet er. Ob sich mindestens zwei weitere AfD-Kandidaten finden, steht allerdings offenbar noch nicht fest. Ob von Gottberg auch als AfD-Kandidat für die Wahl des Gemeinderats antritt, ist seinen Angaben zufolge ebenfalls noch nicht klar. Als Bürgermeister will er aus Altersgründen in jedem Fall nicht erneut antreten (EJZ berichtete).

Wie steht der frühere Grenzschutz-Beamte zu der Entwicklung seiner Partei und vor allem zu der Aussage der Parteivor sitzenden Frauke Petry, an der deutschen Grenze „notfalls“ auf Flüchtlinge zu schießen? Von Gottberg vertritt dazu eine klare Position: „Was Petry gesagt hat, ist sachlich falsch.“ Richtig sei zwar, dass das Gesetz den Schusswaffengebrauch gegen Grenzverletzer zulasse, dieser sei aber an Bedingungen geknüpft. „Aus dem Kontext des Gesetzes ergibt sich, dass der Einzelfall gemeint ist und ganz sicher nicht, die Schusswaffe gegen eine größere Anzahl von Menschen einzusetzen“, sagt von Gottberg. Allerdings hätten Petrys Stellvertreter sofort reagiert und betont, dass „die AfD sich nicht mit der verallgemeinernden Aussage zu dieser causa“ identifiziere. „Und meine persönliche Haltung ist es auch nicht“, schiebt von Gottberg hinterher. Er fragt: „Wer redet nicht mal dummes Zeug, wenn er Politiker ist?“

Ein Abdriften der Partei nach rechts kann oder will von Gottberg nicht erkennen. „Vor allem beim Landesverband sehe ich kein Abdriften nach rechts“, betont er. Was aber ist mit den doch mehr als grenzwertigen Äußerungen eines Björn Höckes? „Der äußert sich bis weilen so töricht, dass es fast parteischädigend ist“, lautet von Gottbergs Meinung. Seine eigene Entscheidung, Mitglied der AfD zu werden, erläutert er nüchtern. Die CDU sei „weit nach links gerückt“, beispielsweise hinsichtlich der Themen Schwangerschaftsabbrüche, Familie, Homoehe oder Aussetzung der Wehrpflicht. Die demokratische Rechte, zu der er sich zähle und die das Grundgesetz achte, habe sich dadurch heimatlos gefühlt und teilweise in der AfD eine neue politische Heimat gefunden.

Allgayer-Reetze (AfD) als Vorsıtzende des Kulturrings untragbar?

Eine andere Diskussion, die mit der AfD im Zusammenhang steht, gibt es in Dannenberg. Dort ist das AfD-Mitglied Patricia Allgayer-Reetze Vorsitzende des Kulturrings. Einige Menschen haben damit offenbar ein Problem, wünschen sich unter der Hand, Allgayer-Reetze möge aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit als Vorsitzende des Kulturvereins zurücktreten. Öffentlich äußern will das bisher allerdings niemand. „Mich persönlich hat darauf noch niemand angesprochen“, betont Allgayer-Reetze, auch wenn sie damit gerechnet habe, dass diese Diskussion früher oder später aufkommen würde.

Sie achte streng auf die Trennung zwischen Kultur und Politik, was auch am Programm des Kulturrings ablesbar sei. Sie vertraue auf die deutsche Verfassung und auf „unsere Rechtsordnung“, denen zufolge niemand aufgrund seiner Parteizugehörigkeit diskriminiert werden dürfe. Sich durch eine solche Diskussion einschüchtern zu lassen, das kommt für Patricia Allgayer-Reetze nicht in Frage.

 

Einer Demokratie unwürdig

Ein Kommentar von Benjamin Piel160308 Parteilos oder AfD 02Die Diskussion, ob Patricia Allgayer-Reetze aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Partei AfD als Vorsitzende des Dannenberger Kulturrings tragbar ist, ist nicht nur abenteuerlich, sondern gefährlich. Wenn Mitglieder einer Partei und mag sie auch Mitglieder haben, die sich schwachsinnig äußern und auch noch stolz darauf sind aufgrund dieser Mitgliedschaft Angst vor Anfeindungen haben müssen und davor, abgesägt zu wenden, dann ist das einer Demokratie unwürdig. Ein Blick in den Veranstaltungskalender genügt, um zu belegen, dass das Programm des Kulturrings breit gefächert ist und sicher nicht in Richtung AfD-Denke tendiert. Da wird Brecht gegeben und Tucholsky. Wäre das anders oder wäre zu erkennen, dass Allgayer-Reetze ihre Funktion benutzt, um politische Botschaften zu vermitteln, wäre die Diskussion legitim. Aber das ist nicht der Fall. Es ist eine eklige Tendenz in Deutschland, möglichst alles aus dem Blickfeld entfernen zu wollen, was problematisch ist. Die NDP? Verbieten! Die AfD? Ächten! Die Wahrheit: Nur weil ein Problem weniger sichtbar ist, ist es noch lange nicht gelöst.

 

Gefunden in: EJZ, 08.03.2016