Bericht aus Moria

Hier ein uns zugeschickter Bericht einer Wendländerin über die Situtation in Moria. Sie war im Januar/Februar dort und hat ihre Beobachtungen für uns aufgeschrieben.

Hallo,

hier ein kleiner Bericht über die Situation im Camp Moria, wie ich sie während meiner Freiwiligenzeit im Januar/Februar diesen Jahres erlebt habe.   Es gibt viele Flüchtlingslager auf der Welt, in allen ist das Leben derer, die ihre Heimat aus Not , Krieg oder Verfolgung verlassen mussten, erbärmlich. Aber in den Camps auf den griechischen Inseln geschieht Unglaubliches – und das im Angesicht der europäischen Länder. Da werden Menschenrechte dermassen mit Füssen getreten ….das glasklar ist , dass die Menschenrechte in den Augen der europäischen Staaten nur für Menschen mit weisser Hautfarbe gelten. Artikel 3: Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person. Fakt ist, dass das Leben in Moria und den anderen Camps nicht gesichert ist. Artikel 25: Jeder Mensch haz das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohl für sich selbst und die eigene Familie gewährleistet, einschliesslich Nahrung , Kleider, Wohnung , ärztliche Versorung und notwendige soziale Leistungen , sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von…..Krankheit….Mütter und Kinder haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung.   Es ist natürlich so, dass in  allen Staaten, aus denen die Menschen fliehen, die letztendlich auf ihrem Weg in Sicherheit und eine bessere Zukunft in den griechischen Camps landen, die Menschenrechte nicht geachtet werden – aber dass es in den Camps vor unseren Augen geschieht – im vermeindlich so „humanen“ Europa ist nicht duldbar. Das Recht auf  Gesundheit besteht in keinster Weise. Und vor allem :die Würde des Menschen ist unantastbar! Dazu muss man sich das folgene vor Augen halten: Es gibt in Moria (und das wird auch auf die Camps auf den anderen griechischen Inseln zutreffen) für jeweils über 50 Menschen eine Toilette (ohne Toilettenpapier, das hier wie verrückt gehamstert wird…) Es gibt für 120 Menschen jeweils eine Dusche – eine Vorrichtung mit einem Wasserstrahl von oben – keine Haken, um seine Kleidung aufzuhängen, nicht genug Platz, dass Frauen mit mehreren kleinen Kindern ihre Kinder dort duschen können…..Überhaupt: heisses Wasser in der kalten Jahreszeit – davon träumt man nur….. Es gibt nach den Informationen der „Mission Lifeline“- die immer noch aktiv daran sind, mehr Kinder und Jugendliche als die 50 bislang auszufliegen- momentan 9 Liter Wasser für eine „Durchschnittsfamilie = 5 Personen. Um sich im Januar /Februar  warm halten zu können, versuchten so viele Menschen wie möglich, vor oder in ihren Zelten (total gefährlich wegen der Brandgefahr) kleine Feuer in Gang zu halten, um heissen Tee zu kochen. Damit ist dann der Wasservorrat erschöpft. Es ist nicht gennug Wasser mehr da, um die Zähne zu putzen oder sich zu waschen, wenn das Warten in der Warteschlange vor den Duschen nicht zumutbar ist (zum Beispiel für alleinflüchtende Frauen mit mehreren Kindern, für Menschen mit einem körperlichen Handicap). Es gibt keine MÖglichkeit für ein warmes Babybad oder die Kinder zu waschen, wenn sie  draussen in den Dreck gefallen sind. Es ist fast unmöglich für Frauen während der Menstruation, sich zu waschen oder Binden zu wechseln – keine Privatsphäre in den überfüllten Zelten. Da vor allem nachts das Warten auf eine freie Toilette unzumutbar ist, weil es keinen Strom gibt und Frauen und Kinder im Dunkeln alleine zu gefährerdet sind , liegen jeden Tag an den Müllsammelstellen unzählige Tüten und Wasserflaschen, die mit Exkrementen und Urin gefüllt sind. Es gibt keine Bäume, hinter die man schnell mal huschen kann….zum einen stehen die Zelte eng an eng, auf rutschigen Hängen, zum anderen sind die Bäume schon der Suche nach Feuerholz zum Opfer gefallen. Den Menschen wird keine Würde zugestanden! Die durchschnittliche Kalorienaufnahme liegt  bei 1000 Kalorien. Das bedeutet, dass der Mensch, wenn er abgemagert ist, nur noch den Grundumsatz zu sich nimmt, aber so geschwächt ist,dass er anfälliger für Krankheiten wird. Im Januar/Februar waren viele NGOs tätig  in den verschiedenen Zonen der „wilden Camps“ – also der Zeltstädten rund um das offizielle Lager Moria, das ein ehemaliges Gefängnis ist und 6000 Menschen anstatt der gedachten 3000 . Diese NGOs boten ,so gut es ging,  eine warme Gratis- Mahlzeit  an, verteilten neben Kleidung und Hygienemitteln Schlafsäcke, Decken, Spielzeug, boten die Möglichkeit, Wäsche zu waschen…..Es gab kleinere Gruppen , die speziell für Frauen und Kinder komfortablere familienfreundliche Duschen anboten, Spielzimmer, Entspannungskurse , die Möglichkeit, in gemütlichen Räumen sich zu treffen, gratis heissen Tee zu trinken, Tageszeitungen in mehreren Sprachen zu lesen und – ganz wichtig- die Handies aufzuladen, um dem Kontakt zu Familien und Freunden zu halten. Und eine ganz wichtige Aufgabe der NGOs: das Sammeln und den Abtransport vom Müll organisieren und auch den Abtransport durch LKWs zu bezahlen…..Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie zugemüllt die wilden Camps nun sein mögen, wo diese Organisation nicht mehr möglich ist….Es wird nun wärmer , damit kommt zu dem Problem mit den Ratten noch das Problem mit den Schmeissfliegen = Krankheitserreger . Viele medizinische Hilfsgruppen haben auch die Insel verlassen oder ihre Dienste einstellen müssen, weil neue Freiwillige im Moment nicht auf die Insel kommen Die Krätze ist ein häufiges Problem – und Kopfläuse. Die hygienischen Mängel lassen eine Bekämpfung gar nicht zu. Die Enge überall, in den Zelten, beim Schlangestehen vor den Toiletten Ist es übertrieben, bei der Vorstellung dieser Lebensbedingungen an Konzentrationslager zu denken? Und – wieder – schauen wir zu! Den Menschen werden aus den europäischen Finanzmitteln 90 Euro pro Monat zum Kauf von Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Busfahrten usw. zugestanden. Es gibt aber keinen Laden in der Nähe von Moria, der Lebensmittel anbietet. Die Läden in dem Dorf Moria, das nahebei liegt, sind sehr feindlich gegen die Flüchtlinge eingestellt. Das Dorf hat früher viel vom Tourismus gelebt – diese Einkommensquelle ist vollkommen verschwunden – die Dörfler fühlen sich alleingelassen  mit ihrer finanziellen Not – vollkommen verständlich. Inzwischen ist die Situation so zugespitzt, dass die Dörfler auch gegen Freiwillige von NGOs feindlich eingestellt sind. Das Haus, in dem ich mit anderen Freiwillgen wohnte, wurde angegriffen und wir mussten in die Stadt Mytelini umziehen. In Mytelini, etwa 6 Kilometer vom Camp entfernt, ist auch der nächstgelegene Supermarkt. Die Strasse dorthin ist mittlerweile für Flüchtlinge gefährlich – es gab zu viele Übergriffe durch Rechte. Der Bus kostet Geld……auch um das Handy zu laden, muss man mittlerweile auch bis Mytelini, dort gibt es noch Büros von NGOs, wo das möglich ist….   Wir hier machen einen Riesenaufstand wegen Sicherheitsmassnahmen vor dem Corona-Virus – und dort können die Menschen nicht einmal die geringste Schutzmassnahme ergreifen, nämlich Abstand halten….. So : und wie ist das nun mit den Menschenrechten: der Würde, dem Recht auf Leben, Sicherheit, Gesundheit?   Und denoch denke ich auch mit einem warmen Gefühl an die Wochen dort zurück. Freundlichkeit, Freude, wenn man die Menschen  grüsste: Salam , how are you……, wenn man eine Einladung zum Tee annahm, wenn man von einer alten Frau oder einem alten Mann umarmt wurde (ich bin ja selbst in fortgeschrittenen Alter, hatte dadurch schnell und viel Kontakt mit den Älteren, sofern sie Englisch sprachen). Den Tee zu teilen, auch wenn man selbst nicht viel hat…… Ich habe gestaunt über die Geschicklichkeit der Frauen, in dieser Umgebung die Zelte sauber und wohnlich zu halten. Es gibt die Kinder, die einem mit kindlicher Neugier „an den Hacken „hängen – aber in erschreckend vielen Zelten mindestens ein Kind, das apathisch und völlig in sich gekehrt in einer Ecke sass und von dem erzählt wurde, dass es kaum noch isst, kaum noch spricht überhaupt nicht mehr lacht und spielt….   Do not leave them behind – wir haben Platz – wir sollten die Menschenrechte achten – wir sollten nicht – wieder mal -weggucken, wenn Menschenrechte mit Füssen getreten werden!