Rot-weiß-braune Verbindungen

Neuer Boss der „Hells Angels“ in der Altmark ist ein Mann mit rechtsextremer Vergangenheit – in vielen Städten haben sich längst gefährliche neue Mischszenen aus Neonazis, Hooligans und Rockern gebildet.

Die Stimmung war nicht die beste an der Polizeisperre. Mitglieder diverser „Hells Angels“-Charter und ihrer Unterstützerclubs hatten in der Kälte zu warten, bis schwerbewaffnete und vermummte Beamte sie einzeln abholten und in die hell ausgeleuchteten Kontrollzelte eskortierten. Das neugegründete „Hells Angels“-Charter „Altmark“ feierte am Samstagabend in der Käthe-Kollwitz-Straße in der ehemaligen „Vollmond“-Diskothek Clubeinweihung.

Rund 800 Freunde der Gang waren vor allem aus Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Brandenburg angereist. Sie kamen mit schweren Limousinen, Reisebussen, Firmenfahrzeugen oder Taxen, Motorräder waren nicht zu sehen. Am Einlass standen Prospects des „MC Red Devils“ unter anderem aus Uelzen und Schönebeck wie auch vom „Club Sturm 81“ aus Verden. Einige Journalisten bekamen keinen Zutritt. Aggressiv schirmten „Altmark“-Rocker den Zugang ab. Die Polizei lobte später den friedlichen Verlauf des Einsatzes. Facebook-Fotos zeigen, wie in der Männerbastion gefeiert wurde: Mit Servietten auf Biertischen, Spanferkel und zwei tanzenden Go-Go-Girls auf Highheels.
In der neonazistischen Kameradschafts-Szene aktiv

Anders als bei „Hells Angels“-Sektionen im Ruhrgebiet oder im Südwesten war hier der Migrantenanteil der Gang-Mitglieder auffällig niedrig. Das mag am einladenden Präsidenten des neuen Charters Altmark liegen: Kay Schweigel. Schweigel gehörte ebenso wie seine anwesenden Freunde Mirko Appelt, Präsident des Clubs „Hells Angels Rostock“ und Felix Bliesener (Sergeant at Arms, Rostock) zuvor lange der neonazistischen Kameradschafts-Szene an, war bei den „Freien Nationalisten Altmark West“ aktiv.

Schweigels Karriere bei den Kuttenträgern begann zunächst bei den „Red Devils“. Im September 2011 berichtete die „Mitteldeutsche Zeitung“ (MZ) von Hausdurchsuchungen bei deren Mitgliedern, vorausgegangen waren Ermittlungen wegen Drogen- und Waffenkriminalität. Gefunden wurden unter anderem Tonträger mit rechtsextremer Musik. Damals war schon bekannt, dass sich der Club um Schweigel aus politisch motivierten Gewalttätern und Führungskräften der rechten Szene zusammensetzte. „Der Präsident des Clubs, selbst eine langjährige Führungsperson in der rechten Kameradschaft in der Altmark, griff dabei zielgerichtet auf politische Weggefährten zurück“, erklärte ein Polizeisprecher der MZ.
White Power-Keltenkreuz unter der Kutte

Bei einem Treffen am Edersee poste der Rockerboss mit White Power-Keltenkreuz unter der Kutte. 2011 wurde Schweigels Mobiltelefon im Zusammenhang mit dem Verdacht auf Betäubungsmittelhandel beschlagnahmt. Darauf fand sich die Nummer des jüngst verstorbenen, langjährigen NPD-Bundesvorstandsmitglieds Frank Schwerdt. Auf aktuellen Fotos post Schweigel mit einem Rostocker, der zum rassistischen „Blood&Honour“-Netzwerk der Hansestadt gehörte und nun ebenfalls zur Hierarchie der „Hells Angels“ gehört.

Schweigels Wechsel zu den Rot-Weißen vollzog sich zunächst über den Ableger in Wolfsburg. Ins neue Charter mit eigenem Clubhaus folgte ihm der ehemalige Neonazi Tino Worch. Worch präsentiert sich aktuell stolz als „Prospect Altmark“ „Wir sind hier, um in unserer Heimat gemeinsam Motorrad zu fahren. Deshalb haben wir ein Altmark-Charter gegründet“, schwadronierte ein hochrangiges Mitglied der „Hells Angels Altmark“ kürzlich gegenüber der regionalen „Volksstimme“. Über die wahren Geschäfte wird in diesen Kreisen ungern öffentlich geredet. Längst überschatten Gewalttaten, Prostitution und Drogenhandel das Gedöns vom Biker-Pathos. Auch das Bild von der friedliebenden multikulturellen Bruderschaft stimmt nicht. In den Reihen der Höllenengel kracht es. Old School-Mitglieder beklagen die hohe Fluktuation bei den Migrantenchartern, die sich ohnehin nicht an Regelwerk und Kodex der altvorderen Halbweltler halten. Im Fall des ermordeten Gießener „Hells Angels“-Präsidenten Aygün Mucuk wird anscheinend auch gegen den eigenen Club ermittelt.
500 Rechte unter 7000 kriminellen Rockern

Während die Landeskriminalämter das Phänomen rechte Rocker lange als Einzelfälle herunterredeten, räumte der damalige BKA- Chef Jörg Ziercke 2013 ein, dass unter den rund 7000 kriminellen Rockern mindestens 500 Rechte seien. Zu auffällig wurde auch das Interesse vieler Kuttenträger an den Anfängen von Pegida und den „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa). So nahmen „Hells Angels“ oder „Red Devils“ anfänglich auch in erkennbarer Montur an rechten Demonstrationen teil. In vielen bundesdeutschen Städten haben sich unter den Augen der Behörden längst gefährliche neue Mischszenen gebildet, die nach beiden Seiten ausstrahlen: in die Neonazi-Szene und ins Halbweltmilieu.

In Salzwedel fallen an diesem Abend rechte Symbole und Szene-Kleidung wie „Thor Steinar“ bei den Rockern auf. Auch die Anzahl der „81“-Supportergruppen scheint immens zu wachsen. Jüngere Gäste tragen Sportkleidung. Thorshammer baumeln an dicken Silberketten. Die „Hells Angels“ stehen unter Rekrutierungszwang – gegen den Anstieg migrantendominierter Clubs wie „MC Mongols“ oder „MC Osmanen“. Türkische Nationalisten sind auch in den Reihen der Rot-Weißen zu finden.
Mit „Decuiallo“-Patch ausgezeichnet

Auffällig homogen geht es beim Hells Angels-Ableger „Rostock“ zu. Dort hat Mirko Appelt, Satanistenfan mit langem schwarzen Zopf, das Sagen. Der Präsident, der mal die Kameradschaft „Selbstschutz Sachsen-Anhalt“ anführte, feiert an diesem Samstag seine fünfjährige Mitgliedschaft. Appelts „Sergeant at Arms“ Felix Bliesener stammt ebenfalls aus dem braunen Milieu. Er nahm an Aufmärschen mit Appelt und Thomas Wulff teil. Stolz zeigt Bliesener sich in den sozialen Netzwerken auf einem Foto mit Kutte und mit „Dequiallo“-Patch. Diese Auszeichnung erhalten nur Vollmitglieder der „Hells Angels“, die einen Polizisten verletzt haben.

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